Die Vorlaufpumpe (Druckpumpe) saugt das Öl aus dem Öltank und drückt es zuerst durch den Filter. Wenn deutlich unter 85 Grad C (ich gehe jetzmal vom HD-Thermostat aus), ist das temperaturabhängige Ventil vom Thermostat in der Stellung, dass das Öl vom Filter direkt in den Motor, also am Kühler vorbei gedrückt wird. Der Motorverschleiss ist ohnehin unvermeidbar, weil das Öl vom Öldruck (bei HD eher niedriger) gegen den Reibverlust durch die Ölviskosität (bei kaltem Öl sehr hoch) durch die diversen Ölleitungen an die Lager gedrückt werden muss. Beim HD-Motor ist das weniger schlimm als bei allen anderen KFZ-Motoren, weil hier nach alter Väter Sitte noch Wälzlager verbaut sind (Ausnahme bei TC: äußere NW-Lager), die nur einen Spritzer Öl, der unter schwachem Druck aus dem Ölkanal spritzt, brauchen, und keinen hohen Druck, der die Lagerschalen der heute üblichen Gleitlager aufeinander aufschwimmen („Gleitreibung“) lässt. Eben weil bei den sonst üblichen Gleitlagern dieser gesamte Vorgang je nach Ölviskosität (Dickflüssigkeit des Öls) und Öldruck einige Sekunden kürzer oder länger dauert, haben diese Gleitlager einen unvermeidlichen Verschleiß durch die bis dahin unvermeidliche Mischreibung aus Kontaktreibung (weil an einigen Stellen der Lagerschale noch kein Öl ist) und Gleitreibung , bei Kaltstarts wegen der höheren Ölviskosität (Ölreibung an den Leitungswänden und an den Ölmolekülen untereinander) schlimmer als bei Warmstarts. Über den Daumen entspricht bei Gleitlagermotoren (also „dem Rest der heutigen Welt“
) der Verschleiß bei einem Kaltstart dem von 400 km Dauervollgas.
Beim Harleymotor, wie gesagt, sind Wälzlager eingebaut, die wie in Zweitaktmotoren nach dem Abstellen Restöl in dem unteren Teil ihrer Aussenlagerschale sammeln, mit dem sie beim Starten schon von der ersten Umdrehung an voll geschmiert sind, und eine Zeitlang ganz ohne frische Ölspritzer trotzdem verschleißfrei laufen, natürlich nur bei niedrigen Drehzahlen, versteht sich
.
Eine Schmierstellengemeinsamkeit haben Gleitlager- und der HD-Wälzlagermotor aber doch: Beim Start die Mischreibung von Kolben am Zylinder, beim Kaltstart natürlich deutlich länger als beim Warmstart, weil bei beiden die Zylinderwände grundsätzlich erstmal nur von dem - aus den auf den Hubzapfen sitzenden unteren Pleuellagern unter Öldruck rausspritzenden und durch Zentrifugalkräfte der rotierenden KW an die Wände geschleuderten - Öl geschmiert werden, genau wie das obere Pleuellager um den Kolbenbolzen. Dazu kommt die Mischreibung von Ventilschaft an seiner Führung, die Mischreibung an den restlichen Schmierstellen ist erfahrungsgemäß vernachlässigbar. Außerdem hat der TC und der M8 Öldüsen im KW-Gehäuse eingebaut, die von unten Öl gegen den Kolbenboden spritzen, was dann natürlich auch ins obere Pleuellager und an die Zylinderwände kommt: Allerdings werden die erst ab einem gewissen Öldruck, also ab einer gewissen Drehzahl mit Öl versorgt. Die federbelasteten Rückschlagventile sind bei 110 Grad C Öltemperatur (andere Werte hab ich nicht) auf folgende Öldrücke eingestellt:
- Leerlauf (1000/min) 9-12 Psi = 0,62-0,83 bar
- Beginn Öffnung Ventil Kolbendüsen : 12-18 Psi
- 2000/min 30-38 Psi = 2-2,6 bar
Das heißt, schon knapp über der Leerlaufdrehzahl erhalten die Zylinderwände und das obere Pleuellager nach dem Warmstart recht schnell - via Bypass an dem langen Weg durch KW und untere Pleuellager vorbei - schon eine kräftige Ölspülung. Da macht die leichte vorübergehende Reduzierung während der Verstellphase des Thermostatventiles (siehe nachstehenden Abschnitt) nix weiter aus
.
Um nach diesen leider unvermeidlichen Vorbemerkungen zu Deiner Frage zurückzukommen
:
In der Ölversorgung aller Schmierstellen tritt nun eine gewisse Minderung des Öldrucks ein, wenn das Thermostatventil um die 85 Grad C herum von Bypassen des Ölkühlers auf Durchströmen des Ölkühlers verstellt. Dann muss das Öl bei der allerersten Inbetriebnahme des Kühlers nach dem Einbau eine gewisse Luftblase vor sich her aus dem Kühler in den weiteren Ölkreislauf schieben. Das ist aber weiters nicht schlimm, denn das Thermostatventil hat kein digitales Verhalten, sondern eine analoges, weil es auf dem Prinzip des sich in einer Patrone um dieses Temperaturfenster herum allmählich ausdehnenden Wachses beruht. Das heißt, nicht wie bei einer digitalen Kennlinie ist der Öldruck erstmal eine - sagen wir Minute - völlig weg, bis die gesamte Luftblase durch die Ölleitungen in die KW-Lager geschoben ist, sondern während der allmählichen Ausdehnung der Wachspatrone wird der Bypassstrom allmählich kleiner und der Kühlerstrom allmählich größer, sodass an der Zusammenführung beider Ströme hinter dem Kühler eine kontinuierliche Einmischung von Luftbläschen in den Ölstrom stattfindet, was gerade für die Wälzlager des HD-Motors ja besonders unproblematisch ist
. Der Öldruck bricht also keinesfalls 100% ig zusammen, sodass Du Dir keine Sorgen wegen Schmierfilmabriss durch diesen (!) Effekt machen musst
Wie unempfindlich der Harleymotor wegen seiner Wälzlager gegen den Kaltstartverschleiß u.a. durch Öldruckschwankungen ist kannst du auch daran sehen, dass er das mittlerweile dickflüssigste Öl von allen 4-Takt-Motoren dieser Welt für Kaltstarts benötigt: SAE 20
Und noch eine traditionelle Unzulänglichkeit des Harleymotors verhindert Verschleiß beim allmählichen Öffnen des Thermostatventils: Wenn das federbelastete Rückschlagventil zwischen Rücklaufpumpe (= Saugpumpe) und Öltank nicht 100% ig schließt - was bei vielen Motoren der Fall ist - läuft bei separaten Öltanks unter dem Sitz (zuletzt Sporty, TC-Softail) das KW-Gehäuse voll, sodass die unteren Pleuellager bei den ersten Umdrehungen kräftig durch ein Ölbad gezogen werden und das Öl kräftig gegen Zylinderwände und Kolbenboden schleudern. Da macht der „negative Effekt“ der Öffnungsphase des Thermostatventils beim allerersten Start nach dem Einbau eines Ölkühlers nun wirklich garnix mehr aus
Außerdem ist die Luftblase im Kühler schon während der Kaltstartphase nach der allerersten Inbetriebnahme von dem Öl, was von der Zusammenführung von Bypassdurchströmung und Kühlerströmung rückwärts (!) gegen den - bis dahin vorliegenden Umgebungsluftdruck im Kühler - in den Kühler geströmt ist, stark auf den Bruchteil ihres Volumens komprimiert worden, sodass nur noch ein kleiner Teil des Kühlers mit auf den Öldruck komprimierter Luft gefüllt ist, was auch die Beimischung als kleine Bläschen in der Zusammenführung beider Ströme fördert.
Dieser Beitrag wurde schon 3 mal editiert, zum letzten mal von motorcycle boy am 03.10.2022 01:50.