„Technisch werden bzw. müssen bei der New-Nightster andere Wege gewählt werden. Es geht ja um Einhaltung aktueller Umwelt- und Zulassungauflagen“
Nein!
Die Luft -Ölkühlung der Zylinderköpfe der XR1200-Motoren erlaubte genau wie die Luft-Ölkühlung der Zylinderköpfe der M8-Softail-Motoren eine Verdichtung von 10:1 ohne Klingeln oder Klopfen. Und 10:1 ist nicht ganz zufällig genau die Verdichtungsuntergrenze, ab der Rohemissionen auf EU5-Niveau reduziert werden. Wegen der deutlich geringeren Bohrung (= kürzere Flammwege) klappt das sogar ohne Vierventiltechnik, meinetwegen mit 2 Zündkerzen.
Wenn Harley / Levatich / Zeitz gewollt hätten, hätten sie den klassischen Sportster-Motor für EU5 im Regal gehabt,und das auch noch ohne die leidige, teure, empfindliche Spiralverzahnung zum Antrieb der Ölpumpenwelle. Sie haben einfach nicht an dieses Konzept geglaubt, sich von der Scout Angst einjagen lassen und sich über die kostenintensiven vier unterliegenden Zahnradgetriebenen Nockenwellen geärgert.Also ein teureres Konzept am kleineren Motor. Deswegen hat sich Harley mit der Umstellung des kleineren Motors auf OHV auch bis 1957 Zeit gelassen. Seitdem ärgern sie sich über diesen kostspieligen Ventiltrieb, jede Wette. Den Prototyp hat Bill Harley schon 1934 in 30 Exemplaren (siehe Fotos) vorgestellt, aber genau aus diesem Grund wurde er von den Davidsons abgelehnt. Die komplette kostspielige Neuentwicklung des Knucklehead geschah nur aus diesem Grund: Wenn schon aufwendige OHV-Technik, dann alle gegenüber dem Flathead machbaren zusätzlichen Freiheitsgerade herausholen. Und das war hier die Reduktion von vier auf eine einsame Nockenwelle.
Der Grund zur Einstellung der Sportster ist leider viel viel trauriger und unverständlicher: Sie haben damit ohne Not ein weiteres Alleinstellungsmerkmal und damit die zweite der drei klassischen Modellfamilien E-Glide, Super-Glide, Sportster in die Tonne getreten und begeben sichauf das hochgefährliche Feld des “Parameterwettbewerbs“ um Commodity- Kunden: das sind die, die ihre Kaufentscheidung nur über Kosten/ Leistung, Gewicht, Zuverlässigkeit treffen. Dazu haben sie in der Tat den aktuell besten i.e. modernsten V2 der Welt herausgebracht. Wie lange mag dieser Vorsprung in der heutigen Welt vorhalten? Gegenüber Giganten wie Honda, die pro Jahr 5Mio Motorräder absetzen oder wie bei BMW an einer hochperformanten Autofirma hängen, von deren Know-how und Einkaufspreisdrückereien sie indirekt gegenüber Harley subventioniert werden. Letzteres erklärt auch neben der überaus aufwendigen Konstruktion, warum alle Revolution X - Modelle so unverhältnismäßig teuer geraten.
Auf diesem Spielfeld kann Harley als einer der beiden letzten eigenständigen Motorradhersteller (der andere ist Triumph) nicht bestehen, jedenfalls nicht 10 Jahre lang oder gar länger. Meine Prognose: Wenn Zeitz abgesägt ist, kehrt der nächste Harley-Eigner (hoffentlich kein Chinese) entweder reumütig zum XR1200-Motor als Standard-Triebwerk für die Sporty zurück oder lässt den Revolution X ausschließlich bei Loncin oder QianJing oder wie die alle heißen - natürlich technisch stark vereinfacht - fertigen.
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„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)
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