Ich bin die R18 in der First Edition heute mal zur Probe gefahren und bin immer noch hin- und hergerissen. Der Motor ist allerdings zum Niederknien, Drehmoment in jeder Lebenslage, das Teil ist drehfreudig, spricht spontan an und klingt für ein Euro 5 Motorrad wirklich gut (der Standard-Fishtail war montiert). Vom Charakter ist dieser Motor sogar dem Milwaukee Eight überlegen, mein TwinCam 96 ist dagegen sowieso eine echte Schlaftablette. Die Verarbeitung der R18 ist ebenfalls ohne Fehl und Tadel. Jede einzelne Schraube ist hochwertig, jede Schweißnaht ist ein Kunstwerk (verglichen mit dem Niveau bei Harley-Davidson), die Frästeile sind sowieso vom feinsten, Lenkerarmaturen und Anbauteile sind im Grunde perfekt, das Oberflächenfinish ist makellos. Der Sitz (normaler Standardsitz) ist sehr bequem, ich könnte mir vorstellen, damit eine ganze Weile unterwegs zu sein. Anfangs hatte ich Probleme, meinen linken Fuß vernünftig zwischen dem Schalthebel und dem linkem Zylinderkopf einzufädeln, das hat sich aber nach wenigen Minuten gelegt. Auch beim Anhalten habe ich anfangs die Füße dummerweise genau auf Höhe der Fußrasten platziert, aber auch das hat sich nach einer Weile geändert und ich kam sowohl mit der Sitzhaltung als auch dem mittigen Fußrasten gut zurecht (ich bin 1,79m groß). Mir ist es auch recht häufig passiert, dass ich beim Runterschalten den Schalthebel nicht richtig getroffen habe. Aber das ganze Sitzhaltungs- bzw. Fußrastenthema ist vermutlich eine reine Gewöhnungssache. Fahren ließ sich die R18 jedenfalls trotz ihrer Länge und des dicken Vorderrades ganz hervorragend. Auch das Handling beim Langsamfahren ist verblüffend gut. Auch richtig gut sind die Bremsen, ich empfand sie als gut dosierbar und weit potenter als ich das von einem Cruiser erwartet hätte. Das Getriebe ist das Sahnehäubchen - noch nie habe ich einen ersten Gang so sanft eingelegt. Wow! Das Fahrwerk ist gut, das Heck ist IMHO allerdings ein wenig zu hart gefedert.
Warum ich trotzdem nicht überzeugt bin? Wegen des Gewichts und der übermächtigen Anmutung. Das Ding ist sogar nochmal 30 kg schwerer als meine Rocker C, gefühlt ist das aber noch viel, viel mehr. Offenbar ist der Schwerpunkt trotz Boxermotor ziemlich hoch. Dafür spricht auch der spürbar höhere Sitz der R18. Wenn das Teil in Bewegung ist, fällt das hohe Gewicht nicht auf, im Stand bzw. beim Rangieren dafür umso mehr. Der optional verfügbare Rückwärtsgang ist nicht nur ein Gimmick, der ist wirklich sinnvoll. Auch das Kippmoment, welches die längsdrehende Kurbelwelle beim Anlassen verursacht ist geradezu furchteinflößend. Dieses Motorrad verlangt einen aufmerksamen und beherzt zupackenden Fahrer. Dummerweise setzt sich dieser Eindruck auch optisch fort. So wie die Triumph Bobber irgendwie zu klein ist, so ist die BMW R18 zu groß. Das Ding ist lang, fürchterlich breit und echt schwer. Ich fahre schon eine ganze Weile Motorrad, aber dieser Eisenhaufen hat mir mehr Respekt abverlangt als alles andere, auf dem ich vorher saß.
Die R18 ist großartig. Für mich ist sie aber zu groß. Meine Rocker ist auch kein Leichtgewicht und schon gar nicht kurz. Aber hinter der R18 verschwindet alles im Schatten. Too much!
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Mein Motorrad besteht aus mattschwarz lackiertem Stahl, glänzendem Chrom und ein wenig Gummi an den richtigen Stellen...