Die Beiträge vorher bringen es auf den Punkt: In Kalifornien sind eigentlich ausschließlich E-Glides, also Tourer am rumcruisen, weil der normale, also betuchte Spießer in USA schon 80 Jahren immer nur Tourer fährt. In Europa war in den 20ern bei den Importmodellen die kleine Indian Scout wegen ihre zukunftsweisenden Wartungsarmen, robusten, allen Wettbewerbern außer BMW weit überlegenen Technik der Megaseller. Indian war quasi die Honda der 20er: Fast (wegen der Sekundärkette) so gut wie BMW, aber viel billiger. Harley war eigentlich wegen seiner damaligen Mainstreamtechnik, die man in Europa viel billiger kriegen konnte, ein Exot. Aus England kamen bessere und billigere große V2, wie JAP (John Alfred Prestwich), British Anzani , Vincent oder Zenith, selbst Royal Enfield und BSA brachten welche raus.
Dann verhängte das Dritte Reich ab 33 ein Importverbot , das die Amis für ihre Fahrzeuge bis 56 verlängerten. Also erstmal Gar keine Markenidentification mehr möglich. Ins Bewusstsein der breiten Massen in Europa gelangte Harley erstmals in seiner Geschichte mit dem Film Easy Rider. Das waren aber Chopper, die die Alternative Scene in Kalifornien aus alten Schrottmotorrädern zusammengebastelt hatte, so wie heute die Café Racer Scene um Güllepumpe und Zweiventil-BMW. Die wollten sich nun gerade von spiessigen, fetten HarleyTourern scharf abgrenzen (kein Comfort, kein Schwulst, kein Ressourcenverbrauch, aber individuell ).
Das Problem von Harley ist also, dass sie in USA ein ganz anderes Markenimage haben als in EuropA und dem Rest der Welt. Horsehide beschreibt das Europa-Image ganz richtig, in USA kaufen abér Spießer aus chauvinistischen Motiven eine E-Glide, die einen Tourer wollen, aber "Ausländern" kein amerikanisches Geld "in den Rachen schmeißen" wollen. In Europa hingegen ist Harley in einer Situation, als würde Renault den Alt68ern einen modernisierten R4 bzw. Citroën die Ente oder VW einen Bulli mit luftgekühltem Heckboxer verkaufen müssen, weil die nix anderes von Renault , Citroën, VW akzeptieren. Genau wie die 68er Rebellen in den USA heute E-Glides kaufen, kaufen die europäischen Rebellen von damals heute ne S-Klasse, wenn sie Karriere gemacht habe, oder sonst ne superspiessige Familienkutsche.
Den "Alt-Rebellen" , die Geld haben, versucht Harley verquollene Plattformmutationen als rebellische Chopper zu verkaufen, die aufgrund ihres Plattformwesens allzu leicht als 'falscher Hase" entlarvt werden können. Horsehide hat diesen Erkenntnisprozess gut für sich beschrieben. Echte Chopper mit TC-Motor kriegt man z.B. von Zero. Wenn Harley also sein europäisches Markenimage in die Zukunft retten will, Sollten sie schlanke, Ranke Starrahmenchopper anbieten und die Softails und Wide Glides dieser Welt in die Tonne treten . In USA kauft die nach meinem subjektiven Empfinden eh kein Mensch. Statt den Motor 4-ventilig zu machen, sollten sie lieber im Hubraum und in der Leistung wieder abrüsten, Hochleistung im Waschmaschinenlook ist auf dem Weltmarkt erkennbar von gestern. Selbst Ducati verdient mit Abstand am meisten an der Scrambler (bestverkaufte Duc der Firmengeschichte). Die Problematiken der Abgasnormen korrelieren nämlich direkt mit der Bohrung , weil sich oberhalb des obersten Kolbenrings zwischen Kolbenhemd und Zylinderwand kühle Nester unverbrannten Sprits bilden. Das ist bei Großen Luftgekühlten Zylindern mit großen Bohrungen ein Riesenproblem, weil die sich nämlich bei Betriebstemperatur wie Bananen nach vorne biegen, weil vorne mehr und kältere Luft kühlt als hinten. Damit die Kolben dann nicht klemmen, brauchen die ein Riesenspiel, damit sie trotzdem "um die Kurve kommen". Je größer die Bohrung, desto mehr Spiel ist zwingend erforderlich. Wassergekühlte Zylinder sind hingegen bei allen Temperaturen vorne und hinten Gleichlang sodass man auch bei riesigen Bohrungen wie denen der Duc Panigale Kolben mit ganz geringem Spiel einbauen kann, sodass der Spalt zwischen Kolbenhemd und Wand so klein wird, dass der Anteil an unverbranntem Sprit im Abgas im Rahmen von Euro 4 bleibt. Mit den 4 Ventilen will Harley eine Gemischverwirbelung erreichen, die auch den Ringspalt mit den Spritnestern erfasst. Da wären 107 Cubic Inch mit Ölkühlung bei 2 Zylindern schon eine technische Meisterleistung. Die Ölkühlung kühlt in eigenen Ölmänteln um Kopf und obere Zylinderhälfte, damit man das Spiel runterkriegt. Ihr seht also, Harley ist um diese Aufgabe nicht zu beneiden. Triumph und BMW haben sich von der reinen Luftkühlung schon verabschiedet ...
Dieser Beitrag wurde schon 7 mal editiert, zum letzten mal von niterider am 20.05.2016 15:41.