Danke, Flat Eric! Endlich mal auf den Punkt gebracht.
Die Aussage "Mir kann das nicht passieren, denn ich zahle immer erst, wenn die Ware da ist" mag übrigens durchaus sein. Bei Gebrauchtmaschinen ist das sogar der übliche Weg. Bei Neumaschinen ist die Frage, bei welchem Händler Du kaufst und welches Fahrzeug.
Nehmen wir mal an, Firma Müller ist neuer Vertragshändler für Ling Long aus China. Du gehst da hin und möchtest die neue Ling Long 500 kaufen.
Ling Long ist heilfroh, dass überhaupt jemand Vertragshändler werden möchte. Sie sind frisch auf dem Markt und als der Müller meinte, er möchte Ling Long Händler werden, wurden daran praktisch keine Bedingungen geknüpft außer, dass der Müller vielleicht ein kleines Ladengeschäft braucht. Müller hat eine GmbH gegründet mit 25.000 Stammkapital. Mit diesen 25.000 haftet er, egal, was mit seinem Privatvermögen ist. Manchmal nennt man die GmbH deshalb Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung. Aber egal.
Also fährt früh morgens der Lastzug aus dem holländischen Zentrallager vor und lädt einmal das komplette Ling Long Programm ab. Der Müller stellt sich damit den Laden voll und die Kunden sind begeistert, weil der Müller ein toller Händler ist mit zwanzig schicken Motorrädern im Laden. Darunter auch Du, und weil die 500 so schön glänzt, unterschreibst Du den Kaufvertrag. Aber Müller ist nicht Eigentümer der 500, sie ist noch immer im alleinigen Eigentum des Importeurs. Für keines der Motorräder hat Müller die Papiere. Denn in dem Moment, wo er die beim Importeur anfordert, stellt dieser ihm das Fahrzeug in Rechnung. Hätte er also für alle Maschinen die ZB II, also den Brief, müsste er am ersten Tag seiner Händlerschaft schon alle Maschinen voll bezahlt haben. Da Müller gerade erst eröffnet hat, fehlt ihm das Geld.
Du stehst also im Laden, hast unterschrieben und stehst vor "Deinem" Motorrad, von dem Du glaubst, bis eben habe es dem Müller gehört. Aber der will Dir nur das Eigentum daran verschaffen, indem er nämlich Dein Geld an den Importeur zahlt, damit dieser Dir den Brief sendet. Im Normalfall dauert das wenige Tage und Du bekommst die ZB II, lässt auf Dich zu und Du bist dank des abgeschlossenen Geschäfts Eigentümer.
Wenn aber Müller sein Geschäft nicht versteht und ihm die Kosten gleich zu Anfang davon laufen, könnte der Moment, wo er Dein Geld hat, problematisch sein. Vielleicht versucht er damit, ein paar Tage zu überbrücken, zahlt den Mitarbeitern Gehalt davon oder zahlt eine längst fällige Rechnung. Du wartest und wartest auf Deine Papiere, der Müller aber wartet auf den nächsten Kunden, der frisches Geld bringt, um dann mit Verzögerung endlich Deine 500 zu zahlen, damit Du Deine Papiere bekommst.
Was aber, wenn sich die Schlinge um Müller zuzieht? Die Miete für den Laden, alte Rechnungen, Gehälter, die Privatentnahme aus der Firmenkasse, weil der Müller ja auch leben muss? Wer ist in diesem Moment gerade Eigentümer der 500? Du? Müller? Nein. Das Motorrad gehört dem Importeur, der hat vom Müller ja nichts bekommen und die Maschinen standen nur auf Kommission im Laden. Konkret: der Importeur hat an Müller einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs und Du hast an Müller einen Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises.
Und der Müller...hm. Der ist jetzt Pleite. Er hat Dein Geld verjuxt, statt Dir Eigentum an der 500 zu verschaffen. Dir steht also kein Recht gegenüber dem EIGENTÜMER, also dem Importeur, zu, sondern das Geld versickert in der Insolvenzmasse. Mit Deiner Forderung kannst Du Dich hinten anstellen, und bei 25 Mille Stammkapital sogar ganz hinten, außer Sichtweite des Insolvenzverwalters. Da der Insolvenzverwalter zunächst seine eigenen Kosten decken darf, und zwar vor allen anderen Gläubigern, wird er ein Insolvenzverfahren vielleicht mangels Masse gar nicht erst eröffnen.
Wenn ich hier lese, Du sollst dann den Brief als verschwunden melden oder so etwas (es wäre ja "Deins"), kriege ich Haarausfall.
Damit Du den Brief als verschwunden melden darfst, musst es vorher einen gegeben haben UND Du (!) Eigentümer des Motorrads sein. Beides erklärst Du "an Eides statt". Bei einem Motorrad, das vorher noch nie eine ZB II hatte und das sich vielleicht "gefühlt" in Deinem Eigentum befindet, ist das nicht mal mehr nur dünnes Eis, sondern eine echte Straftat und natürlich obendrein zum Scheitern verurteilt. Dein Anspruchsgegner ist auch keinesfalls Ling Long, den Du ja durch Deine Finte sozusagen in "Ersatzhaft" für den Müller nehmen willst.
Ebensowenig kannst Du Deine Überweisung rückgängig machen (weit verbreiteter Irrtum, Du hast mit der Überweisung eine "eigene Willenserklärung" abgegeben und die kann man nicht rückgängig machen, anders als abgebuchte Beträge). Und selbst wenn das ginge oder Du vielleicht einfach das Geld, was noch auf dem verlassenen Firmenschreibtisch liegt, wieder an Dich nehmen würdest: es gehört zur Insolvenzmasse und damit ist es für jeden Gläubiger tabu, selbst wenn es genau die Geldscheine sind, die Du da hingelegt hast. Gilt übrigens genauso wie das oben erwähnte Zahngold. Derjenige, der es an sich genommen hat und die Mitarbeiterin, die den Zutritt verschafft haben, sind Straftäter. Also besser nicht zu laut weiter erzählen.
Also: Vorsicht, was ihr da macht in solchen Fällen. Nicht, dass außer dem Geld auch noch eure Freiheit in Rauch aufgeht.
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Der Sonne entgegen,
Micha
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Sunglow am 19.04.2025 04:28.