...Es dämmerte bereits, als wir uns am Passat sammelten. Leichter Freizeitanzug war der Standard. Rainer fiel bekleidungstechnisch etwas aus dem Rahmen.
Er hatte sich für einen Jogginganzug und Sportschuhe entschieden. In einer offenen Sporttasche führte er ein großes Handtuch und seine Adiletten mit.
Rainer war bereit für den großen Saunaausflug.
Thomas kratzte sich bei diesem Anblick nachdenklich am Kopf.
„Warst du schon mal in einem Saunaklub?“, fragte er vorsichtig.
„Früher, mit meiner Frau war ich öfter mal in einer Erlebnis-Sauna.“
„Ach so..“, grunzte Charly. „Mit der Frau … in ’ner Erlebnis-Sauna … na denn!“
Rolf fuhr und Thomas hatte den Plan. Es sollten so ungefähr 40 km sein, nach Rudis Angaben jedenfalls.
Wir suchten in der Dunkelheit noch ein wenig herum, aber letztendlich musste es wohl dieses ehemalige Fabrikgebäude sein.
Ein flaches, lang gestrecktes und nicht mehr ganz neues Gebäude. Auf dem dazu gehörigen Parkplatz standen einige Mittelklasseautos aber auch zwei Motorräder. Eine K-BMW und eine CB-Honda.
Der Eingang des Gebäudes war schwach beleuchtet und durch ein zusätzliches Gittertor abgesichert. Ein ziemlich unauffälliges Messingschild mit der Aufschrift “Sauna-Club“ zeigte uns, dass wir richtig waren.
Dieses Gebäude war das einzige im weiten Umkreis. Die Rückseite war nicht einsehbar und ich war froh, dass es in Tirol keine alten Aztekentempel gibt.
In “From Dusk Till Dawn“ hieß der Schuppen zwar Titty Twister , aber die Ausgangssituation war ähnlich.
Falls sich eine Santanico Pandemonium hier tummeln sollte, würde ich in einen echten Gewissenskonflikt geraten. Alles was auch nur entfernt an Salma Hayek erinnert, löst bei mir einen soforti2gen und übermächtigen Beutereflex aus.
Thomas hatte scheinbar keinerlei derartige Bedenken und drückte auf den Klingelknopf an der Gittertür.
Ein Kameraauge war auf diese Tür gerichtet und nach etwa 30 Sekunden brummelte der elektrische Öffner. Die Tür dahinter öffnete sich ebenfalls und der große kahlköpfige Bruder von Arnold Schwarzenegger erschien.
Der Typ musste als Kind in einen Anabolikabottich gefallen sein. Die Karikatur eines Bodybuilders. Das Monstrum füllte den gesamten Türrahmen aus und schien skeptisch zu sein. Zum Glück aber nur skeptisch und nicht etwa wütend. Thomas erklärte der menschlichen Schrankwand, dass wir den Tipp von Rudi aus dem Bikerhotel bekommen hätten.
Der braune Hulk musterte uns schweigend. Sein Blick verharrte etwas länger auf Rainer und seiner Sporttasche.
„Die Toschn lossts oaber im Wohgen“. Seine Stimme klang merkwürdig hell und passte überhaupt nicht zu der restlichen Erscheinung.
Rainer wollte gerade bockig werden, als ich ihm erklärte, dass dies wohl der Masseur wäre und es niemals ratsam sei, den Masseur zu verärgern.
Rainer gehorchte sofort, weil ich das wohl äußerst überzeugend rüberbrachte.
Dies hatte auch einen, im wahrsten Sinne handfesten Grund.
Der letzte Masseur, den ich verärgert hatte, arbeitete in einem echten türkischen Hamam in Istanbul. Ich ließ ihn in dem Glauben, es mit einem Russen zu tun zu haben.
Vor Russen haben die dort Respekt!
Das hatte mir ziemlich glaubwürdig ein guter Freund erzählt.
Um es kurz zu machen, dieser Ratschlag hätte mich fast meine Wirbelsäule und beide Schultergelenke gekostet. Die Massagetechniken in diesem echten Hamam erinnerten mich an den Finalkampf im Freistilringen, damals bei der Olympiade in München. Vielleicht hatte der Typ aber auch nur eine Rechnung mit den Russen offen.
Der Masseur führte uns dann sofort in den Umkleideraum. Dort waren an den Wänden schmale Spinde aufgereiht. In den ungenutzten Schlössern steckten nummerierte Schlüssel mit Armbändern. Wie in einem Schwimmbad.
Es gab auch Badelatschen und stapelweise weiße Saunatücher.
Alles war hell, sauber und in tadellosem Zustand.
Wir zogen uns aus und wickelten uns jeweils ein Saunatuch um die Hüften.
Charlys Hüften- aber eigentlich weniger die Hüften, als vielmehr sein gut ausgeprägter Kotelettfriedhof verhinderten ein optisch ansprechendes Ergebnis. Zumindest in seinem Fall.
Rolf, Thomas, Rainer und ich kamen gut klar. Was nun das optische Ergebnis anbelangt … na gut … ich meine, so richtig elegant sieht man wohl mit Badelatschen und Saunatuch um die Hüften nicht aus.
Aber um unsere Optik ging es primär an diesem Abend auch nicht.
Thomas schlappte dann voran und wir folgten ihm, mit einer Hand immer das fixierte Hüfttuch sichernd. Wir kamen dann in einen riesigen Raum, der mit zahlreichen Sofas ausgestattet war. Der Boden war mit weichem Teppichboden bedeckt und eine lange Bartheke mit Barhockern zog sich an der hinteren Wand entlang. Auf mehreren Sofas rekelten sich saunamäßig entkleidete Damen, die offensichtlich mit den wenigen anwesenden Herren in intensive Zwiegespräche vertieft waren.
Zwischen den Sitzgruppen standen einige große Kunstpalmen und die gesamte Beleuchtung tendierte stark in den langwelligen Bereich.
Rainer stand wie angewurzelt in dem breiten Durchgang.
„Das ist doch … ein Puff … hier!“ murmelte er ungläubig.
„Ach nee, tatsächlich … was du nicht sagst“, brummte Charly.
Wir steuerten die Theke an und Rainer folgte uns zögerlich.
„Ihr seid noch nie hier gewesen“, erkannte die Thekenfrau sofort, ohne sich dadurch als Wahrsagerin zu profilieren.
„Eintritt 50 pro Mann, dafür alle Getränke frei. Einmal 30 Minuten …Französisch und Verkehr … auch 50. Extras kosten extra“, betete sie routiniert ihren Text runter.
Thomas nickte gelassen.
„Also Freunde … Eintritt und eine Nummer pro Mann übernehme ich. Aber ohne Extras“.
Dann bestellte er fünf Bier.
Die Thekentante, die aussah wie Dolly Buster nach den Wechseljahren stellte uns die Flaschen auf die Theke.
Rolf wollte nun genau wissen, welche Extras denn geboten würden. Dolly Buster reichte ihm wortlos ein einlaminiertes Blatt.
Ich hatte meine Brille im Spind gelassen und war somit des Lesens unfähig. Rolf war so freundlich und las uns die Extraliste vor. Fein säuberlich von 1 bis 15 unterteilt.
Rainer schien peinlich berührt zu sein und trippelte hin und her.
„Wie geht denn Nummer 12, das hab ich ja noch nie gehört..“, wollte Charly dann wissen.
„Das macht nur die Anuschka, die ist aber heute nicht hier“, erklärte die Thekenfrau. „Wenn ihr das nicht kennt, da vorne der Film, da machen sie es gerade.“ Sie deutete auf einen großen Flachbildschirm in einer Ecke.
„Ooohhh….ach so, jetzt weiß ich“, sagte Charly und schien plötzlich enttäuscht zu sein, vielleicht aber auch nur weil Anuschka heute nicht hier war.
„Hinten haben wir den Saunabereich und den Whirlpool, die Zimmer sind dann da hinten“. Dolly Buster deutete in die entsprechenden Richtungen und wandte sich dann wieder ihren Gläsern zu.
„Alles klar ...?“, fragte Thomas. Rolf und ich nickten. Charly griff sich noch ein Bier und fläzte sich dann auf das nächstgelegene Sofa. Sein Tuch verrutschte und ich war in diesem Moment ehrlich froh keine Frau zu sein.
Nummer 12 mit Charly … dann lieber Straßen bauen in Sibirien. Es gibt wirklich echte Horrorjobs.
Ob Natalie nun aus Sibirien stammte und den Job schon gemacht hatte? Möglich ist natürlich alles. Sie hatte jedenfalls einen starken russischen Akzent. Charly schien ihr zu gefallen. Sie war eine großartige Schauspielerin.
Charly ist aber keine leichte Beute. Er hockte jedenfalls dick und haarig auf dem Sofa und zeigte keinerlei Interesse.
„Habt ihr auch Schwarze hier..?“, rief er der Thekenfrau zu.
„Schwarze Haare … oder ganz schwarz?“, wollte die wissen.
„Ich schätze, er meint……Afrikanerinnen“, versuchte ich politisch korrekt zu helfen. Charly nickte zustimmend.
„Eine aus Marokko und ein Mädchen kommt aus Brasilien“, verkündete die Bardame nach kurzem Nachdenken.
„Egal … Marokko, Brasilien … Hauptsache Afrika!“, freute sich Charly.
Leise stöhnend legte ich dem immer noch unsicheren Rainer die Hand auf die Schulter und schob ihn in Richtung des Saunabereiches. Rolf und Thomas hatten sich bereits in diese Richtung verdrückt. Vielleicht wird Rainer dort etwas lockerer. Dieser Messdiener