Da war dann das Öl im Kurbelgehäuse (=Sump“) und nicht im Öltank unterm Getriebe. Deswegen war kein Ölstand messbar.
Wenn die Druckschwankungen im Kurbelgehäuse durch die auf und niedergehenden Kolben bei hohen Drehzahlen zu groß werden, erzeugen die hochgehenden Kolben einen solchen Unterdruck, dass die Absaugpumpe-Ölpumpe versagt, aber erst ab einer gewissen Öltemperatur i.e. einer gewissen Öldünnflüssigkeit in Verbindung mit einem gewissen Öldruck i.e. Drehzahl: Dann strömt das Öl von der Druckseite an den Rotorzähnen vorbei zurück auf die Saugseite ins Kurbelgehäuse zurück.
Der Öltank wird von der Druckpumpe mangels Wiederauffüllung durch die Saugpumpe allmählich leergesaugt, bis sich alles Öl im Sumpf versammelt hat. Da dies bei hoher Belastung bei hoher Umgebungstemperatur passiert, werden die Schmierstellen durch Mangelschmierung, i.e. stark erhöhte Reibung überhitzt (blaue Färbung) und zerstört. Durch die erhöhte Reibung tritt Leistungsverlust ein. Da der Harleymotor nach uralter Väter Sitte an der KW vollständig wälzgelagert ist, ist es der einzige KFZ-Motor der Welt, mit dem Du es in diesem Zustand noch nach Hause schaffst. Alle modernen Motoren mit Gleitlagern wären vorher längst am Wegesrand verglüht verendet.
Wenn der Motor am nächsten Tag wieder kalt ist, saugt die Saugpumpe während der Warmlaufphase bei niedrigen Drehzahlen das Öl ganz normal aus dem Kurbelgehäuse wieder zurück in den Öltank und man kann da nach einigen Minuten wieder einen Ölstand messen.
Anscheinend sind die M117 wieder genau wie die TC110 an der Grenze des machbaren dieses Konzeptes konstruiert (Kurbelgehäusevolumen im Verhältnis zum immer weiter vergrößerten Hubvolumen irgendwann zu klein: lernen die es denn nie
) und also nicht dauervollgasfest. Man kann das gegenüber dem M114 erhöhte Drehmoment also nur zum gelegentlichen verstärkten Beschleunigen verwenden. Ehrliches Sorry, aber so sieht es nun mal aus
. Ist wirklich keine Schadenfreude, sonst hätte ich mir nicht die Mühe dieses Textes gemacht.
Die für das laufende Modelljahr stark ausgeweitete Verbreitung des M117 in die „Groß“serie
lässt Schlimmstes befürchten, analog zur Schadenslawine, die bei der S-Serie mit dem TC110 auf Kunden und Company zurollte. Bedauerlich ist das vor allem für technische Laien und HD-Neulinge, denen natürlich nicht klar sein kann, dass man von der hubraummässig und leistungsmässig am stärksten ausgereizten Version als erfahrener Vielfahrer entweder gleich die Finger lässt oder als erfahrener Connaisseur die erweiterte Leistungsfähigkeit nur zum gelegentlichen Überholen und sonst niemals nicht ausnutzt. Dass Harley bei solch grenzwertig ausgereizten Motoren nicht mal Öltemperatur- und Öldruckmesser serienmäßig installiert, ist schon eine Frechheit. Das hat selbst die kleine chronisch klamme Pleitefirma Ducati an ihren luftgekühlten Motoren in den 90ern hingekriegt.
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„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)
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