Du bist sicher froh, dass Du das Ding losgeworden bist, ca 10 Tkm bevor erfahrungsgemäß die Hydrostößel kollabiert sind (die Nadellager in den Rollen) und ein Motortotalschaden die Folge war. Und ich, dass ich es damals trotz starker Faszination nicht gekauft habe, sondern auf meine nachstehenden Vorbehalte gehört habe
Jeder halbwegs technisch verständige Mensch wunderte sich auch schon seinerzeit bei der Vorstellung über das Fehlen eines serienmäßigen Ölkühlers und bei der Low Rider über die Beibehaltung des schon für den 103er lächerlich geringen Motorölreservoirs von 2,65 ltr. Zum Vergleich: Meine alte BMW R80GS - also mit weniger als dem halben Hubraum - braucht schon serienmäßig 2,5 ltr Ölinhalt

, und die R100GS braucht bereits zusätzlich einen serienmäßigen Ölkühler!
Wirklich leid tun mir die ahnungslosen Gebraucht-Käufer, die nach den Neukäufern auf diese absichtliche Fehlkonstruktion reinfallen. Über die ziemlich wahrscheinlichen Gründe von Harley hast Du schon eindrucksvoll geschrieben. Als alter Ami-Vehikel-Fan ist man noch darauf eingestellt, dass V8 wie V2 strikt für Dauergeschwindigkeit und dem dafür erforderlichen Leistungsabruf keinesfalls über dem US-Tempolimit von 65 Mls/hr ausgelegt sind. Traditionell ist alle Leistung darüber hinaus nur für das Beschleunigungsduell von Ampel zu Ampel - also max über die traditionelle Viertelmeile - standfest abrufbar.
Bei den V8 in EU-Version gibt es seit der Modernisierung der Motorenpalette in den 90ern extra größere Wasserkühler und Ölreservoirs, deswegen sind die mittlerweile Autobahnfest. Bei den TC‘s kann das nur für die Tourer mit sage und schreibe einem ltr mehr Ölinhalt als die Dynas

gelten. Aber auch hier hat erst das Projekt Rushmore mit wassergekühlten Auslassventilen Vollgasfestigkeit im deutschen Sinne - also ohne massive Lebensdauerreduktion gebracht - und auch nicht für die Kühlleistungsmässig bis zum Schluss unterdimensionierten TC110.
Für Softail und Dyna TC110 gilt hingegen: Der Motor kollabiert nicht mehr wie ein Shovelhead bereits nach 15 min Dauervollgas, aber wenn ich ihn wie einen deutschen oder japanischen Motor auf der Autobahn häufig und ausdauernd voll belaste, muss ich damit rechnen, dass ab mittlerweile erfahrungsgemäß ca 30 Tkm das Lebensdauerende erreicht ist. Da reicht schon das Bemühen der SuFu in diesem Forum, um das bestätigt zu bekommen.
Und genau da beginnt das moralische Dilemma:
Wenn der Verkäufer moralisch einwandfrei handeln will, muss er dem Interessenten beim Verkaufsgespräch die fehlende Dauervollgassfestigkeit -wie oben beschrieben - mitteilen, und die deutlichen Erlöseinbussen hinnehmen, wenn das Ding nicht sogar unverkäuflich wird, weil sowas heutzutage nur noch ein paar Hardcorefans hinnehmen, die schon seit Shovelheadzeiten Harley fahren. Das bedeutet einen Fahrstil nicht wesentlich über 110 km/h,unterbrochen von gelegentlichem (!) Beschleunigen zum Überholen. Das es so eine Auslegung heute noch relativ neu gibt, können sich jüngere Interessenten wahrscheinlich gar nicht mehr vorstellen.
Aber welcher Verkäufer kann sich das schon leisten, wenn er ohne das Geld nicht weiter Harley fahren kann. Letztendlich kann man es auch so sehen, dass es dem Interessenten obliegt, sich über das Objekt seiner Begierde ausreichend schlau zu machen, schon gar, wenn es sich um ein so exotisches handelt. Wie gesagt, ein moralisches Dilemma ohne Auflösung
__________________
„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von motorcycle boy am 02.09.2022 03:35.