Natürlich ist klar, dass HD nur überleben kann, wenn sie Maschinen verkaufen. Das können sie nur
1. wenn diese Maschinen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen
2. sie Menschen mit diesen Maschinen so ansprechen, dass diese die Maschinen kaufen.
Insofern führt „Früher war alles besser“ zu nichts, denn es hilft HD nicht beim Überleben. Und den finanziellen / handwerklichen Stress, beispielsweise einen Shovelhead im Alltag zu fahren, kann sich nur eine Minderheit erlauben. Und wenn diese Minderheit sich ehrlich machen würde, würde sie offen eingestehen, dass in ihrem Bock der Prozentsatz von niegelnagelneuen Teilen von den S&S‘sen dieser Welt über die Jahre kontinuierlich zunimmt. Spätestens wenn das eine Gehäusehälfte erreicht, wird das auch für das kundige Auge sichtbar, denn auf die Idee, die Gussteile zu „agen“ (so nennt man das heute wohl) wie eine Jeans, ist auch S&S noch nicht gekommen, denn die Neugüsse sehen einfach viel zu präzise für die Sandgusstechnik von vor - sagen wir - 50 Jahren aus. Ganz abgesehen von technischen Upgrades der - nennen wir es „unverständlichen und im Allag unerträglichen konstruktiven Mängeln“ wie Gleitlager ohne Öldruck und ohne jegliche Abdichtung an Haupt- und Hohlwelle des Getriebes oder der spätestens alle 20000 km fällige Tausch des Sekundärkettenkits, der nur durch Demontage von sage und schreibe eines guten Drittels des gesamten Triebstranges möglich ist. Das war schon nach Einführung des sehr viel aufwendigeren Primärkastens aus Alu 1965 eigentlich niemandem mehr vermittelbar, weswegen Anfang der 80er der Zahnriemen zwingend eingeführt werden musste. Wer ehrlich ist, gibt zu, dass alles davor nicht mehr alltagstauglich ist.
Insofern sind die Verbesserungen, die erforderlich waren, um die beiden obigen Randbedingungen zu erfüllen, akzeptabel und mit klarem Verstand nicht zu kritisieren. Aber genau da setzt m.E. auch die berechtigte Kritik an. Nehmen wir als schönes Beispiel die flüssigkeitsgekühlten Vierventilköpfe: Hier zeigt doch die Konkurrenz von Indian bis Shineray, dass die keineswegs erforderlich sind, um Randbedingung 1 zu erfüllen. Diese entspringen viel mehr dem absurden Streben der Company, zwei unvereinbare Ziele mit Gewalt mit einem einzigen Konzept, nämlich der „eierlegenden Wollmilchsau“ M8 zu erreichen, um kostensparend der Konkurrenz Indian Paroli zu bieten:
- das Leistungsniveau des Powerplusmotors
- das traditionelle Layout des Thunderstroke
Das geht über den Motor noch hinaus, denn es wird auch noch ein - in einem Art Deco - Konzept - groteskes TFT Display und genau so groteske Sicken in einem Tropfentank als „Modernisierung“ verkauft, genauso wie ein riesiger Ölkühler und armselige LCD-Fahrradtachos in den Softails. Indian käme niemals nicht auf die Idee, seiner Chieftain oder der Chief-Baureihe (der Softailkonkurrenz) so etwas anzutun. Dafür gibts eben eine eigene Produktlinie, die Powerplus. Die Tourer und Softails von HD sind so mittlerweile weder Fisch noch Fleisch, während ausgerechnet die heutigen Indian-Konkurrenzprodukte zeigen, wie man es richtig macht.
Die Riesenliste, die ich hier schonmal an „Kosteneinsparungen an der Verarbeitung“ von M8 gegenüber TC eingestellt habe, blieb auch von den hartnäckigsten M8-Verehrern unwidersprochen. Und genau DAS sind die Entscheidungen, an denen Kritik berechtigt ist, und nicht die an den Maßnahmen, die erforderlich waren, um die obigen Randbedingungen 1. und 2. zu erfüllen.
Indian hat von vornherein akzeptiert, dass eine Anhebung von Hubraum, Drehmoment und Leistung über das jetzige Niveau des Thunderstroke hinaus Maßnahmen wie Vierventiltechnik und Flüssigkeitskühlung erfordern würden, die mit einem „Produkt: traditionell amerikanisches Art-Deco-Motorad“ unvereinbar sind, deswegen haben sie es gelassen, und die Powerplus herausgebracht. Das traditionelle amerikanische V2-Konzept ist mit 1800ccm und 90 PS endgültig ausgereizt, und wer dieses Konzept haben will - und ich glaube, dass sind immer noch viele - wird das auch akzeptieren und nichts dagegen haben, wenn man das mit phasenverschiebbaren Nockenwellen und anderen technischen Tricks für weitere Verschärfungen der Randbedingung 1. fit macht.
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