Ich konnte jetzt mal das Sena SMH10 eine Zeitlang testen. Es hat zwar die eine oder andere Macke/Ungereimtheit, aber da die Firmware updatebar ist, besteht Hoffnung, irgendwann ein perfektes Produkt zu erhalten. Allerdings scheint in diesem Bereich "Perfektion" ohnehin ein Fremdwort zu sein, denn in Testberichten zu ähnlichen Geräten von Interphone oder Cardo werden Macken/Ausfälle/Fehler berichtet, die mit der Vorstellung, es würden nur ausreichend getestete und erprobte getestete Geräte gefertigt und vertrieben, nicht in Deckung zu bringen sind. Insofern sollte ich vielleicht nicht ganz so kritisch sein ... ;-)
Da ich grds. mit Jethelm (J1) und ohne Visier fahre, ist die Windgeräuschfilterung für mich ein ganz wesentlicher Punkt. DIese ist beim SHM10 recht ordentlich, wenngleich natürlich weit von Perfektion (die vielleicht auch nicht zu erreichen ist) entfernt. Ohne weiteren Aufwand am Mikro (wie etwa einen zusätzlichen Winddeflektor - siehe
http://www.windsockwinddeflector.com/ - oder größere Schaumstoffhülle o.ä.) ist bis 100, 120 km/h noch gut verständlich zu plaudern, wenn auch vielleicht sinnvollerweise mit lauterer Stimme (das ist natürlich individuell verschieden - ich rede normalerweise eher leise, andere können auch mit normaler Sprechweise mit Schwerhörigen kommunizieren) und dafür ohne Mikro-Boost. Sogar bei 140 km/h kann man sich noch verständigen, wenngleich ich bei 140 km/h auf meiner Harley keine Lust zum Reden habe sondern mich auf die Straße konzentriere - was beim Partner ankommt ist noch gut verständlich, wenn auch kein Ohrenschmaus. D.h. bei 140 km/h ist die Stimme durch die DSP schon vermoduliert, Artefakte der Windgeräusche sind deutlich hörbar. Insofern muß man sagen: Bedingung erfüllt. In einem geschlossenen Helm ist es deutlich anders, viel besser, auch bei 170 km/h ist die Sprache klar und ohne auffällige Nebengeräusche; das war schon frappierend. Interessanterweise wird es aber beim J1 deutlich schlechter, wenn ich mit Visier fahre. Anscheinen wirbelt da an der Visierunterkante so viel Wind rein, daß es auch "von vorne" reinstört.
Möglicherweise wird es hinter einem Windschild besser, müßte man mal testen.
Verbesserungen lassen sich mit einem Winddeflektor (s.o.) um das Mikro erreichen. Erste Versuche mit einem DIY-Winddeflektor (der oben verlinkte Hersteller scheint nicht eben begierig auf Lieferungen nach Europa zu sein) verliefern insofern - Windgeräuschunterdrückung - positiv, aber das ganze ist nicht so trivial wie es zunächst schien, es gibt "Nebenwirkungen".
Bei DIY besteht besteht auch ein Problem der Teilebeschaffung: Benötigt werden "Kappen", "Stuhlkappen", "Kunststoffkappen", "Verschlußkappen" oder wie immer diese Teile auch bezeichnet werden, also ein einseitig geschlossener röhrenförmiger "Überzieher" mit einem ID von ca. 25 bis 30mm (je größer destso besser, hat es den Anschein) und einer Länge von ca. 40 bis 55mm (auch scheint eine größere Länge besser zu sein), auf der geschlossenen Seite gerundet, aus einem eher weichen/flexiblen Kunststoff oder Gummi. Ich habe leider noch keine Bezugsquelle für so etwas gefunden; die bekannten 25,,- und 35mm-Kappen aus dem Baummarkt sind für Stühle gedacht und zu kurz und zu wenig gerundet. Vielleicht kennt jemand eine Quelle? Man kann sich zunächst mit einer 35mm-Film-Dose behelfen, aber deren eckige Form erscheint eher nachteilig.
Auch wenn da noch Bedarf für einiges Experimentieren ist, könnte man bei normalen Ausfahrten, die kaum über 90 bis 100 km/h hinausgehen, es bei der Normalausstattung belassen, und für Touren, bei denen längere Strecken mit 130, 140km/h und mehr anstehen, dem Mikro einen "dicken" Winddeflektor überziehen. Da ist der Selbstmacher im Vorteil.
Was - ich sage mal "natürlich" - beim Jet-Helm nicht funktioniert ist die VOX-Funktionalität, also daß sich der Kommunikationskanal über Handy und Interkom auf "Zuruf", also Sprechen (oder Blasen ins Mikro) öffnet. Dies bislang nur mit dem Standard-Windschutz getestet leidet an dem Mangel, daß bei 100 bis 120 km/h der Kanal schon durch die Windgeräusche aufgeht. Damit könnte man ja vielleicht noch leben. Aber leider hat der Hersteller eine völlig untaugliche Hysterese eingebaut, daß nämlich der Kanal erst wieder schließt, wenn die Windgeräusche nahezu völlig weg sind, also die Geschwindigkeit drastisch fällt bis auf 50 oder 40 km/h. Trotz der Möglichkeit, einige Parameter "online" einzustellen, gibt es keine Einstellmöglichkeit der Triggerschwelle für VOX-an und VOX-aus. Ich weiß schon, daß nur wenige Hersteller überhaupt VOX anbieten. Gleichwohl sollte es, auch im Interesse der Verkehrssicherheit, möglich sein, ein leidlich funktionierendes VOX-System zu bauen. Zumal die Elektronik ja nicht stumpf die Lautstärke auswerten muß sondern auch darauf schauen kann, ob da nun nur Störgeräusche oder Sprache reinkommen - denn eine Art Spracherkennung über sprachgesteuerte Rufnummerwahl, die das SMH10 überdies bietet, ist ja eh vorhanden. Aber vielleicht kommt das mal in einem Update. Hinzufügen muß ich, daß der Hersteller als Gipfel der ... Ignoranz ? ... vorgesehen hat, daß nach dem manuellen Abschalten der VOX-aktivierten Kommunikation die VOX-Funktion bis zum nächsten Neustart des Geräts ausgeschaltet bleibt. Da sich VOX über das Menü "online", also mit aufgezogenem Helm, ein- und ausschalten läßt, gibt es für diesen Murks nicht die geringste Rechtfertigung, es bleibt purer Ärger.
Ich vermute, daß VOX in einem geschlossenem Helm besser bis einwandfrei funktioniert - getestet habe ich es mangel Relevanz für mich noch nicht.
Dies führt zum nächsten Punkt: Die Bedienung. Ein ganz wichtiger Punkt, und zwar wegen des Nichtfunktionierens bzw Nichtvorhandenseins einer VOX-Steuerung. Hier hebt sich das SMH10 von anderen Produkten deutlich ab. Bei jenen sind die Tasten flach, relativ schwergängig, mit dem Handschuh, blind an die Helmseite gegriffen, nur schwer zu finden und kontrollierbar, und je nach Produkt muß man mal die vordere oder die hintere Taste oder zum Ein- und Ausschalten sogar verschiedene (oben und unten) Tasten drücken. Plus natürlich die Lautstärketasten.
Beim SMH10 ist das sehr viel praktischer gelöst (fragt sich allerdings, wie lange das Konstrukt in der Praxis hält): Eine große Halbkugel, mit dem Handschuh blind nicht zu verfehlen, mit einem leichtgängigen Kontakt zum Drücken ist für die Kommunikation (und anderes) und durch Drehen für die Lautstärke zuständig. Einzelheiten bitte im Manual auf der Sena-Homepage nachlesen. Das ist sowohl haptisch wie funktional einfach nur super. Selbst bei 140 km/h, wo man wirklich nur ungern die Hand vom Lenker nimmt, läßt sich nebenbei und schnell ohne Gesuche, Gefummel, Gemurkse die Kommunikation aufbauen oder beenden. Dafür vergebe ich eine 1 mit Sternchen.
Der Nachteil ist: Das Teil trägt auf, und zwar über die notwendige Dicke des Moduls und der Basisplatte hinaus. Nun ja. Form follows function. Andererseits sieht so ein Modul am Helm ohnehin nicht hübsch aus - da kommt es auf die Halbkugel auch nicht mehr an. Für den Bell Mag-9 gibt es übrigens eine spezielle Basisplatte, mit der alles in den Helm eingebaut werden kann. Den Helm gibt es hier aber nicht ...
Ein weiterer und für mich kaufentscheidender Pluspunkt ist die sog. (abschaltbare) Echo-Funktion - m.W. besitzt dies kein anderes BT-Modul: Der Sprecher hört sich selbst im Lautsprecher. Und zwar ohne spürbaren Zeitversatz. Das mag für Leute mit röhrendem Organ, Benutzer geschlossener Helme oder denen, die darauf pfeifen, ob sie verstanden werden, egal sein. Ich halte es für ungemein wichtig, um in der widrigen Umgebung des Helm kontrolliert zu reden. Im wahrsten Sinn des Worts versteht man ja bei höherer Geschwindigkeit sein eigenes Wort nicht mehr, was ja auch hinsichtlich der Dämmungwirkung durchaus beabsichtigt und andernfalls eine ungewollte Folge des wenig gedämpften Einfalls des Fahrtlärms ist, erst recht wenn man sich vor diesem mit Schalldämpfern im Ohr isoliert. Durch dieses "Echo" hat man eine Kontrolle, wie die eigene Stimme über dem Fahrtwind etc. ankommt und kann entsprechend angepaßt sprechen und so die Kommunikation optimieren. Da die Lautstärke jeder Signalquelle separat eingestellt und gespeichert wird, läßt sich so die eigene Stimme so leise stellen, daß man schon ausreichend laut sprechend muß, um sich zu hören.
Die vielfältigen BT-Funktionalitäten (Anbindung von MP3, GPS, Handy, bis zu drei anderen Sena-BT-Benutzer, Fremdgeräte - bitte im Manual auf der Sena-Homepage nachlesen) habe ich nur ausprobiert, soweit dies im Rahmen der Mikrofontests nötig war. Die Kommunikation mit einem Partner war o.k. und auch die maximale Entfernungsangabe - ca. 800m - bei Sichtverbindung bzw. offenem Gelände scheint zu stimmen. Wie üblich ist Schluß mit lustig bei Sichthindernissen, etwa Kurven mit Bäumen dazwischen und so. Das ist halt Bluetooth ... Wer mehr haben will muß zu PMR wechseln. Das Handy war als Sprachrecorder bei dem Mikrofontest dauernd eingebunden (ich habe die Sprachtests aufgezeichnet und danach "offline" ausgewertet - da fällt viel mehr ins Auge bzw Ohr als auf dem Mopped) - keine Probleme. Auch die parallele Anbindung von Handy und GPS mit HFP-Protokoll (man muß dann das Handy nicht über das GPS pairen) funktioniert grundsätzlich. Dauermusik geht auch, zumindest testweise, aber dafür will ich das Teil nicht - Musik lenkt zu sehr ab. Der kabelgebundene Aux-Eingang ist wie üblich keine Funktionalität des BT-Moduls sondern der Basisplatte.
Bleibt die Montage, das übliche Problem. Sena bietet wie jeder andere Hersteller einige Varianten an - bitte auf der Homepage nachlesen. Bei Jet-Helmen besteht das übliche Problem des Schwanenhalsmikros, d.h. es hängt auch beim Ein- und Ausstieg vor dem Mund. Jedenfalls beim J1 ist das eine vertrackte Angelegenheit - durch den Kinnbügel und dessen Befestigung kann das Modul nicht weit genug vorne angebracht werden und selbst mit einer DIY-Befestigung an einer der Schrauben, mit der die vorderen Seitenteile an die Helmschale geschraubt sind, reicht das Schwanenhalsmikro gerade mal bis zum Mundwinkel (außerdem funktioniert die übliche Klemmontage beim J1 grundsätzlich nicht). Gleichwohl hängt das Mikro im Weg herum und behindert, weil der J1 zum Ein- und Ausstieg vorne recht weit auseinandergezogen werden muß - und da hängt das Mikro im Weg herum und wird entweder gequetscht oder jedesmal stark wegggebogen, was auf Dauer dem Schwanenhals auch nicht guttut (die schwanenhalsmikrolose Lösung des HBC200 -
BT-Helmset UCLEAR-HBC200 - funktioniert leider nicht). Das mag bei anderen Jet-Helmen anders sein. Ich werde jedenfalls die umgearbeitete Basisplatte mit einem DIY-Halter so an den Helm schrauben, das unten nichts übersteht, und das Schwanenhalsmikro ausbauen und "frei" verkabeln. Den gekürzten Schwanenhals werde ich am Kinnbügel montieren und diesen über eine kurze, 20cm lange Kette mit eingezogenem Mikrofonkabel an der seitlichen Schraubbefestigung anlaschen. Dies alles nur geklemmt, das beeinträchtigt den Schutzbügel in seiner Integrität nicht. So stört das Mikro beim Ein- und Aussteigen nicht mehr und zugleich kann der Kinnbügel nicht mehr verlorengehen.