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Zitat von Moos
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Zitat von bios4
Bzw. gibt es jemanden hier, der mir - technisch offensichtlich nicht fit genug - erklären kann WIE sowas bei "einigen" Maschinen ein Problem verursachen kann, bei "anderen" mit technisch gleichem Aufbau jedoch nicht???
Sicher kann ich es natürlich auch nicht sagen aber ich gehe davon aus das die Kupplung bei allen M8 Motore gleich ist und selbige bei den Tourern aufgrund des höheren Gewichtes natürlich auch ein höheres Drehmoment übertragen muß und da evt. an ihre Grenzen kommt wenn da etwas verändert wird.
Warum nur hinter vorgehaltener Hand? Nun, welcher Freundliche gibt schon gerne offiziell zu, dass seine Marke mit größeren Toleranzen – auch bei der Kupplung – arbeitet als andere Marken. Wenn er das zugeben würde, würde er wahrscheinlich juristische Probleme mit der EMEA-Vertretung von Harley kriegen, meines Wissens mittlerweile in die Frankfurter Innenstadt umgezogen, da sind sie genau richtig bei den „über den Tisch - Ziehern“ gelandet
Diese größeren Toleranzen gleicht Harley durch grundsätzlich größeres Spiel im Kupplungsbetätigungs-Mechanismus aus. d.h. egal ob ein Kupplungspaket etwas dicker oder etwas dünner geraten ist, reicht das verbleibende großzügige Kupplungsspiel in jedem Fall aus, um die Kupplungsscheiben sauber zu entlasten. Eine Trennung in dem Sinne findet genauso wenig statt wie bei Belägen von Bremsscheiben, d.h., die Entlastung bewirkt, dass die Kupplungsscheiben nicht mehr zusammengepresst werden, sich aber noch berühren (deswegen können sie auch von kaltem Öl verklebt werden
).
Für die Nicht-Techniker unter uns: bitte nicht verwechseln:
- beim Spiel handelt es sich um ein notwendiges Stück exakt spezifizierter Luft zwischen den Bauteilen, um zum Beispiel im vorliegenden Fall einen Mechanismus (hier die Kupplungsscheiben) ganz sicher vollständig von Kräften zu entlasten.
- Bei Toleranz handelt es sich um die maximal tolerierte Maßabweichung vom Sollmass nach oben und nach unten
- nur in metrischen Systemen gibt es die Passungstabelle, die diese speziellen Sollmasse verschiedener Spiele = lose Passungen - je nach Funktion, die dieses Spiel haben soll - allgemein als Norm definiert. Bei den Angelsächsischen Herstellern hat jeder Hersteller sein eigenes System, was sein Betriebsgeheimnis ist. Damit kann er seine großzügigen Toleranzen verschleiern. Ob dieses System suffizient oder insuffizient ist, ist damit unserer Beurteilung entzogen. Nicht umsonst spricht man bei den amerikanischen V8 Motoren von der typischen amerikanischen „Wurfpassung“, die auch jede noch so große Fertigungsungenauigkeit „toleriert“. Diese finden wir auch im Kupplungsausrückmechanismus der Harley Big Twins, damit in jedem Fall genug Luft übrig bleibt, egal wie dick das Kupplungsscheibenpaket bei den üppigen Toleranzen (= noch tolerierten Sollmassabweichungen) in der Produktion zufällig gerade ausgefallen ist. Das großzügig bemessene Lüftspiel spricht indirekt für äußerst großzügige Toleranzen.
- Ich bin sicher, auch der amerikanische (oder chinesische?) Kupplungshersteller könnte engere Toleranzen anbieten, verlangt dann aber natürlich pro Paket höhere Preise, weil er ja mehr ausserhalb der engen Toleranzen Produziertes wegschmeißen muss, oder für teuer Geld seinen Maschinenpark instandsetzen oder erneuern muss. Diese Preise will Harley offensichtlich nicht bezahlen.
Eine Firma wie Müller Power Clutch nutzt nun einen Teil dieses üppig dimensionierten Lüftspiels aus, um mit größerer Hebel - Übersetzung bei gleichbleibender durchschnittlicher Fingerlänge eines durchschnittlichen Harleyfahrers noch ein ausreichendes Lüftspiel der Kupplungsscheiben - d.h. ausreichende Kraftentlastung der Scheiben - zu erzeugen. Wenn Ihr nun zufällig eine Maschine erwischt habt, bei der jetzt durch die Fertigungs-
Toleranzen - sprich „noch
von HD tolerierten Fertigungsungenauigkeiten“ - ein dickeres Kupplungsscheibenpaket in der Produktion bei Harley zum Einbau kam, reicht das Spiel für die Müller -Power-Clutch nicht mehr aus, und die Scheiben werden nicht vollständig entlastet und schleifen auch noch bei voll gezogener Kupplung. Für die Funktion der Müller Power Clutch war dieses größere Spiel von den HD-Ingenieuren ja auch gar nicht gedacht, sondern um auch bei zufällig besonders dicken Kupplungspaketen noch ausreichend Luft zur Scheibenentlastung zu haben. Die haben das schließlich schon vor Konstruktionsbeginn vorgegeben gekriegt, welche großen Toleranzen sie mit ihrer Konstruktion noch ausgleichbar machen müssen, soll bezüglich der Eingangsfrage von
@bios4 heißen:
“ It’s not a miracle, it’s just statistics“
, welches Kupplungspaket der Kunde nun gerade erwischt.
d.h. Müller kann hier gar nichts nachbessern, weil sie ein von Harley für andere Zwecke vorgesehenes Lüftspiel zweckentfremden. Nach der Statistik muss das bei für das reduzierte Müller-Lüftspiel zu weit streuenden Kupplungsscheibendicken zwangsläufig schief gehen. Die einzige Lösung ist leider, entweder ein dünneres Scheibenpaket einzubauen oder das Müll(er)system wieder auszubauen. Für erstere Version muss der Händler bereit sein, so lange immer wieder Scheibenpakete zu bestellen, bis ein zufälligerweise dünneres dabei ist. Das können manchmal ganze Chargen sein, bis die Produktionsmaschinen wieder turnusmäßig instandgesetzt wurden
, denn von Fräsern, Bohrern bis hin zu Gusskokillen u. dgl. verschleißen Werkzeuge und Gussformen ja auch in der Produktion. Die zulässigen Toleranzen hängen also auch damit zusammen, wieviel Verschleiß Harley hier toleriert, bis neue, masshaltige Werkzeuge bzw. Gussformen (Kuppungskorb und -nabe
) eingebaut werden müssen
Warum macht Harley-Davidson das? Nun, wenn ich die Toleranzen enger setze, toleriere ich nur geringere Abweichungen von den spezifizierten Idealmaßen = Sollmassen. Bei vom Zustand meines Maschinenparks abhängender möglicher Fertigunggenauigkeit bedeutet das, dass ich, je schlechter der Maschinenpark in Schuss ist, umso mehr Ausschuss produziere, der außerhalb dieser engeren Toleranzen liegt. Die Japaner kochen auch nur mit Wasser: die nehmen aber einfach im Interesse ihrer Kunden und ihres Rufs in Kauf, mehr weg zu schmeißen, auch abgenutzte Werkzeuge, Kokillen oder ausgelaufene Lager von Werkzeugmaschinen, was außerhalb ihrer äußerst engen Toleranzen für Produkte und Produktionsmaschinen liegt. Das hat Honda auch schon offen zugegeben.
Harley-Davidson zeigt hier nur einmal mehr die von Beginn an in seiner DNA liegende Knauserigkeit der schottischstämmigen Davidsons, während die Japaner im 20. Jahrhundert sich mit ihrem Lohndumping, Umwelt-Dumping und Wechselkurs- Dumping sehr viel mehr Ausschuss leisten konnten, um ihren legendären Ruf von Präzision zu festigen. Im 21. Jahrhundert ist es mit diesem drei Dumpings wegen Demographie, Fukushima und Finanzkrise vorbei, und deswegen sind die Japaner bei ziemlich erhöhten Preisen nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die wussten aber sehr genau, dass hohe Preise für ihre Kundschaft das kleinere Übel sind, statt auf Harley-Niveau ausgeweitete Toleranzen, denn gerade ihre typische Zielgruppe mit knapper Kasse gibt gerne einmal (!) etwas mehr aus, wenn sie dafür ganz sicher nicht ständig und immer wieder überraschend notwendige Nachbesserungen, Reparaturen, Optimierungen und Ähnliches bezahlen muss.
Seien wir doch mal ehrlich, wer so etwas nicht bei Harley erwartet, ist bei der falschen Marke. Und das liegt eben nicht am Unvermögen der amerikanischen Ingenieure oder Produktionsmitarbeiter, sondern an einer knallharten ökonomischen Kalkulation, was noch aussortiert werden darf und was nicht mehr.
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Verheiz Deine Reifen, nicht Deine Seele!
Dieser Beitrag wurde schon 8 mal editiert, zum letzten mal von motorcycle boy am 13.06.2024 19:11.