Deswegen können wir Boomer die Jugend so schwer verstehen und die sagen zu unseren Statements „OK, Boomer“ oder kontern belustigt mit „Kapiert, Boomer?“
Z.B. der Spruch „hat nach dem Abi nix gelernt, und fährt mit dem Moped durch die Welt“:
In unserer Jugend hatten wir Boomer noch von unseren Eltern gehört, dass Du mit einer soliden Berufsausbildung oder Studium eine sichere Zukunft inclusive Rente hast und Dir auch z.B. irgendwann eine Harley leisten kannst. Bereits die Generationen ab Baujahr 1980 mussten bei ihren Boomer-Eltern miterleben, wie die grundlegenden Umbrüche Neoliberalismus und Wiedervereinigung ab 1990 Vati oder Mutti arbeitslos nach Hause - in alter „alles richtig gemacht“ - Boomermentalität wegen angeblich so sicherem Job natürlich mit hohen Krediten belastet - kommen ließ, obwohl beide einen als ganz sicher geltenden Beruf wie Ingenieur, Handwerker, Polizist oder Ärztin, Chemielaborantin gelernt hatten, weil ihre deutsche Firma /Niederlassung / Tochterfirma durch Börsenspekulanten oder Veruntreuung ruiniert, an Heuschrecken verkauft, in Industrieparks zerschlagen, von der Treuhand abgewickelt wurde oder schlicht ein Sparprogramm durchlief oder im Osten nicht jeder Staatsdiener in den bundesrepublikanischen öffentlichen Dienst übernommen wurde.
Allein damit ist das Thema „was ordentliches gelernt haben sichert Deine Zukunft “ völlig veraltete, aus der Zeit gefallene Spießer/ Boomerromantik.
Als Nächstes kam bei der anstehenden Berufswahl dieser Generationen, dass sie erlebten, dass ihre Eltern frühpensioniert oder entlassen wurden, weil sie über 50 waren oder es ihre Berufe wie zB. nur hier in Frankfurt Schreibmaschinenmechaniker“ (Adler) oder ihre Spezialisierung auf Linotype (Bilder in Drucksachen bringen) gar nicht mehr gab, da von Programmen wie „Bildbearbeitungssoftware“ oder SAP (Buchhaltung) übernommen. D.h. ihre angeblich so sichere Lebensplanung mit hohen Krediten fürs Eigenheim brach im Angesicht und zu Lasten ihrer Kinder völlig in sich zusammen und gerade die wegen „zu alt“ entlassenen Manager (gerade beim Daimler und bei Linde darunter sehr viele Ingenieure) müssen sich trotz exzellentem Lebenslauf nun bis 65, 66 , 67 als selbständige Berater durchschlagen, ein hartes Brot und mit geringer Kreditwürdigkeit für den Anschlusskredit. Das diese Kinder in ihrem Leben kein „Premium“mehr kaufen und auf „sichere Berufe“ keinen Pfifferling mehr geben, dürfte nicht überraschen.
Eine „Berufsausbildung“ im klassischen Sinn lohnt aus Sicht der Generationen Y und Z daher den Aufwand und das Risiko, die Prüfung nach mehreren Jahren Ausbildung nicht zu schaffen, nicht mehr, wenn selbst für Radiologen oder Motoreningenieure völlig unvorhersehbar ist, ob es diesen Beruf so in 10 Jahren überhaupt noch gibt oder eine künstliche Intelligenz übernommen hat bzw. auf E-KFZ oder ÖPNV und Pedelec umgestellt wird. Einzig der klassische kleine Handwerksbetrieb dürfte eine sichere Zukunft haben, steht aber unter heftigstem Preisdruck. Aber lange nicht jeder ist begabt dafür.
Die junge Dame hat also in der heutigen Realität aus Sicht der Jugend alles richtig gemacht. Eine solide Ausbildung ist Nonsens, in der „Einmal Infuencer immer Influencer“ ohnehin nicht mehr gilt, sonst hätten die Industrie- und Handelskammern schon längst eine entsprechende Ausbildung „Azubine Influenzerin“ aufgelegt.
Was bedeutet das
- für die Jugend: Anstelle von Ausbildung mit Zertifikaten für schnell veraltendes Wissen („KFZ-Schlosser“ => „“ => ???) tritt hochflexibles „Learning by doing“. Die Bildungseinrichtungen sind viel zu langsam geworden, um bei diesen hochdynamischen Veränderungen mitzuhalten: In dieser neuen Welt sichert sich der / die Hochbegabte seine Existenz, indem er / sie sich selber immer wieder in neue Wissensgebiete wie Künstliche Intelligenz als selbstprofessionalisierter Hacker „einarbeitet“, oder bei entsprechender Begabung sich in die sich schnell ändernden Produkte einarbeitet, die sie als Influencerin an den Mann / die Frau bringen will. Das Einkommen ist generell hochvolatil und Sparen dient der Überbrückung der Einkommenslückenphasen und nicht dem Erwerb von „Premium“. Otto Normalo wird bei Frustration oder Menschheitsumerziehungssyndrom Aktivist, bei durchschnittlichem Engagement Internet-Freelancer oder bei Gleichgültigkeit Bürgergeldempfänger. Der Aktivist plant zum Herbst eine gigantische Grossflughafenblockade als Massen-Go- in, damit er und möglichst viele seinesgleichen über den Winter dank Vorbeugehaft ein Dach über dem Kopf, Heizung und drei Mahlzeiten haben. Das ist „Lebensplanung im 21. Jahrhundert, kapiert, Boomer?“. Die glücklichen Normalos unter der Jugend, die angesichts dieser Zukunftsaussichten einen Job im deswegen immer beliebter werdenden Öffentlichen Dienst ergattern, sind neben den Oberschicht-Jugendlichen und den Bürgergeldempfängern die einzigen, die sich auch eine Familie leisten können, was den Schwund der Einheimischen beschleunigen wird. Große Sprünge wie ein Motorrad oberhalb von Enfield oder Shineray sind da natürlich das ganze Leben über niemals drin (deswegen kommen die jetzt so zahlreich auf den Markt), denn selbst hier gilt Sparen ausschließlich der Vorsorge vor großen Brüchen in der Erwerbsbiographie, denn selbst im öffentlichen Dienst ist man heute nicht mehr sicher vor Outsourcing (Uniklinik Gießen- Marburg, Kommunale Rechenzentren, technische Abteilungen von Kliniken etc.).
Ihr könnt sicher sein, liebe Boomer, dass die heutige Jugend solche Entwicklungen sehr genau registriert, also steckt Euch solche aus der Zeit gefallenen, spiessigen Nachkriegsideale wie „solide Berufsausbildung fürs Leben“ oder „sicherer Job“ sonstwohin. Kapiert, Boomer?
- für Motorradfirmen wie Harley: Der klassische Boomerkunde mit gesichertem Einkommen stirbt aus. Die Jugend schwärmt auch von klassischen Sportstern, kann sie sich bei ihren grundsätzlich derart unsicheren Arbeitsverhältnissen und dem daraus zwangsläufig entstehenden Mangel an Kreditwürdigkeit schlicht nicht mehr leisten. Die alte Sportster durch ein Modell in der Preisklasse und mit der Technik von Yamaha MT07 zu ersetzen, weil das angeblich die Jugend mehr ansprechen würde, wäre ein Holzweg. Die Einzigen in den Generationen Y und Z, die sich noch so etwas leisten können, sind die, die das Häuschen der Eltern geerbt haben bzw. in eine Unternehmerfamilie oder großes Vermögen hineingeboren wurden, also von Beruf Sohn oder Tochter sind. „Vattern Pilot der Lufthansa oder Professor der Chirurgie“ reicht schon nicht mehr, weil er den Titel ja nicht vererben kann und auch für die Berufsausbildung seiner Kinder gilt siehe oben (kenne privat einige Beispiele „studiert irgendwas mit Kunstgeschichte, will Heavy Metaler werden“ u. dgl.).
Deswegen konzentriert sich die Motorradindustrie auf Premium, das klappt aber nur bei berühmter Historie. So erklärt sich die Strategie von Zeitz. Deswegen stehen Hondakawasuki in den letzten 10 Jahren zunehmend schlechter da und investieren fast nix mehr (im Vergleich zu früher) in neue Modelle, weil sie keinen berühmten Namen haben. Die Chinesen haben demgegenüber keine Hemmungen, sich den zu kaufen und das wird bei Benelli mit nicht gerade dem schwergewichtigstem Beitrag zur Motorradgeschichte nicht stehen bleiben. Ja, ich sehe Harley in 10 Jahren unter den Fittichen von Shineray.
Die „Sportster“ mit Revolution Max sind also eindeutig nicht als Nachfolger der klassischen Sportster für die Jugend konzipiert, sondern als alternatives „Harley-Premium“ und zweiter Versuch der mittelfristigen Ablösung der traditionellen Big Twins, nachdem der erste Versuch „V Rod“ wegen zu hohem Gewicht und damit mangelhaften Fahrleistungen und viel zu wenig Diversizierung (Reiseenduro, kleinere Hubraumversion, Tourer) in die Hose ging. Die Zielgruppe für „Premium“ ist immer die gleiche: Boomer mit guter Rente oder hoher Abfindung und Jugend der oberen Zehntausend, bzw. Best Ager der nicht unerheblichen Anzahl Erben, die jedenfalls wie auch immer jetzt schon viel Kohle hat.
Das Problem von Hondakawasuki haben in der Autoindustrie die Hersteller mit Massenmarkttradition, auch wenn diese sehr alt ist (Ford, VW, Toyota). Die mittlerweile völlig entrückten Preisen ihrer „Mittelklasse“ - Vehikel können sie nur noch in Gestalt von Leasing von Dienstwagenflotten realisieren. Entweder kaufen sie „Premium“ zu (VW) oder wenn sie nicht mehr die Kohle dafür haben, werden sie von immer riesigeren Konglomeraten wie Stellantis geschluckt (Opel, Fiat, Chrysler, Renault, Nissan), die diese Markennamen nur noch als Blechform und Ausstattungsvariante auf der immer gleichen Plattform in den Markt drücken.
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„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)
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