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--- Rechtliches rund um den Kauf/Verkauf von nicht zugelassenen Bauteilen (https://forum.milwaukee-vtwin.de/threadid.php?threadid=104360)


Geschrieben von Tobi_96 am 22.11.2021 um 18:18:

Rechtliches rund um den Kauf/Verkauf von nicht zugelassenen Bauteilen.

Hallo zusammen,

Ich tüftle seit einiger Zeit an einem Plug&Play Kit um den analogen Sportster Tacho (2014-2021) gegen das digitale Tachoinstrument der Breakout/Street Bob (2018-dato) zu tauschen. 
Technisch habe ich jetzt alles wunderschön auf die Reihe bekommen! Jetzt stelle ich mir nur einige rechtliche Fragen. Ansich möchte ich ein Teilegutachten für meine modifizierte obere Lenkerklemme erstellen lassen, um allen Problemen aus dem Weg zu gehen. Sollte das jedoch den Kosten/Nutzen Rahmen sprengen, würde ich das Kit gerne ohne offizieller Zulassung zum Kauf anbieten.

Bei meiner Recherche bin jetzt zum Entschluss bekommen, dass 99% der im Netz angebotenen Lenkerklemmen (meistens aus Alu-Grauguss, Vgl. Bild)  keinerlei Gutachten besitzen. Auf den Website der jeweiligen Verkäufer (Thunderbike, Dark Parts, Eightball, Zodiac, Custom Chrome, ...) wird jedoch nie erwähnt, dass die Lenkerklemmen über keinerlei Gutachten verfügen und somit (meiner Meinung nach) nicht für den Verkehr zugelassen sind. Auch ein Zivilgutachter meinte, dass es sich bei meiner Klemme um ein Sicherheitsrelevantes Bauteil handelt, da es auf der Straße jede Unebenheit als Erschütterung in sich aufnimmt.


Jetzt hätte ich folgende Fragen an euch:

- Muss eine Lenkerklemme ganz streng genommen ein Gutachten haben um im Verkehr zulässig zu sein?  (mir geht es nicht nur darum ob ich beim Tüv damit durchrutsche weil es eh nicht auffällt!)
- Dürfen Klemmen bzw. auch andere Bauteile allgemein einfach so im Netz gewerblich verkauft werden, ohne den Hinweis darauf, dass sie nicht für den Straßengebrauch zugelassen sind?
- Wenn kein Hinweis darauf gegeben wird - wer haftet, sollte das Bauteil durch Materialversagen zu Bruch gehen? (z.B im Bereich Elektronik darf jeder ein CE Zeichen drauf machen, der Imorteur haftet jedoch im Fall der Fälle)
- Reicht der klassische Hinweis "Nur für Showzwecke" "Achtung kein Gutachten" um sich aus der Haftung zu nehmen, sollte das Bauteil durch Materialversagen zu Bruch gehen?

Ich bin auf eure Meinung gespannt!
Lg. Tobi


Geschrieben von Bjrn am 22.11.2021 um 19:09:

Hi Tobi,

bin in dem Thema Laie, habe mich aber auch damit beschäftigt, als ich einzelne Teile ohne Gutachten verbauen wollte.
Mir wurde seitens zweier Harley Customizer davon abgeraten, ernsthaft ein Gutachten erstellen zu lassen, da die Kosten hierfür im fünfstelligen Bereich liegen. Als mir das an zwei Stellen so mitgeteilt wurde, habe ich das Vorhaben aufgegeben smile
Kann sein, dass es bei einer Lenkerklemme günstiger ist, ich schätze aber nicht.
Und damit ein TÜV-Prüfer nach gutem Gewissen eine Abnahme vornimmt, muss zumindest ein Materialgutachten vorliegen und ob dies in jedem Fall ausreicht, glaube ich auch nicht. Deswegen sparen sich viele Anbieter eben genau diese Gutachten.

- Muss eine Lenkerklemme ganz streng genommen ein Gutachten haben um im Verkehr zulässig zu sein?  (mir geht es nicht nur darum ob ich beim Tüv damit durchrutsche weil es eh nicht auffällt!)
Fest mit dem Moped verschraubt, ich denke ja. Ohne ein Gutachten wird es schwer einen Prüfer zur EInzelabnahme zu bekommen

- Dürfen Klemmen bzw. auch andere Bauteile allgemein einfach so im Netz gewerblich verkauft werden, ohne den Hinweis darauf, dass sie nicht für den Straßengebrauch zugelassen sind?
Klar, du darfst im Endeffekt alles verkaufen. Es werden ja auch von Harley selbst Zubehörteile verkauft, mit denen die ABE erlischt.

- Wenn kein Hinweis darauf gegeben wird - wer haftet, sollte das Bauteil durch Materialversagen zu Bruch gehen? (z.B im Bereich Elektronik darf jeder ein CE Zeichen drauf machen, der Imorteur haftet jedoch im Fall der Fälle)
Das jeder ein CE Zeichen drauf machen darf, wäre mir neu. Und zu Part 1 deiner Frage, das kommt drauf an. Im Zweifel der Hersteller, aber wenn du sein Bauteil entfremdest, weil du eine Softail Klemme auf einer Sportster verbaust, wird er kaum die haftung übernehmen.

- Reicht der klassische Hinweis "Nur für Showzwecke" "Achtung kein Gutachten" um sich aus der Haftung zu nehmen, sollte das Bauteil durch Materialversagen zu Bruch gehen?
Das ist afaik eine Hinweis auf Erlöschen der Betriebserlaubnis im Straßenverkehr. Wegen Materialversagen würde ich wieder auf den Punkt 3 tippen. Du baust die Klemme ja an ein anderes Modell als vorgesehen. Selbst wenn es ein komplettes Gutachten dazu gäbe, würde es ja nicht für dein Moped gelten (abnahme TÜV, od. Garantie)


Geschrieben von DeeCee am 22.11.2021 um 19:48:

Tja, es wird wohl wieder einmal darauf hinauslaufen, ob und/oder wie weit dieses Anbauteil in die Betriebserlaubnis eingreift oder eben nicht. Diese Ausführungen in Motorrad finde ich ganz interessant – dort steht unter anderem:

Eintragungsfreie Bauteile
(...) Bauteile, die am Motorrad nicht nur die Optik verändern, sondern auch Einfluss auf den Komfort oder die Funktionalität nehmen: Diese Veränderungen müssen weder eingetragen werden, noch benötigen sie Teilegutachten, ABE oder EG-BE. Alles entscheidender Grundsatz ist aber, dass sie die Verkehrssicherheit des Motorrads nicht ­beeinflussen.

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2019 Breakout 114

Jekill&Hyde, Kennzeichenhalter seitlich, TB Heckfender mit 3-in-1-Leuchten, TB Airride, TB Einzelsitz, Stripe-Blinker vorn...


Geschrieben von Tobi_96 am 22.11.2021 um 20:02:

zum zitierten Beitrag Zitat von Bjrn
- Dürfen Klemmen bzw. auch andere Bauteile allgemein einfach so im Netz gewerblich verkauft werden, ohne den Hinweis darauf, dass sie nicht für den Straßengebrauch zugelassen sind?
Klar, du darfst im Endeffekt alles verkaufen. Es werden ja auch von Harley selbst Zubehörteile verkauft, mit denen die ABE erlischt.

- Wenn kein Hinweis darauf gegeben wird - wer haftet, sollte das Bauteil durch Materialversagen zu Bruch gehen? (z.B im Bereich Elektronik darf jeder ein CE Zeichen drauf machen, der Imorteur haftet jedoch im Fall der Fälle)
Das jeder ein CE Zeichen drauf machen darf, wäre mir neu. Und zu Part 1 deiner Frage, das kommt drauf an. Im Zweifel der Hersteller, aber wenn du sein Bauteil entfremdest, weil du eine Softail Klemme auf einer Sportster verbaust, wird er kaum die haftung übernehmen.

- Reicht der klassische Hinweis "Nur für Showzwecke" "Achtung kein Gutachten" um sich aus der Haftung zu nehmen, sollte das Bauteil durch Materialversagen zu Bruch gehen?
Das ist afaik eine Hinweis auf Erlöschen der Betriebserlaubnis im Straßenverkehr. Wegen Materialversagen würde ich wieder auf den Punkt 3 tippen. Du baust die Klemme ja an ein anderes Modell als vorgesehen. Selbst wenn es ein komplettes Gutachten dazu gäbe, würde es ja nicht für dein Moped gelten (abnahme TÜV, od. Garantie)

Danke fürs Teilen deiner Sichtweise!

- Das ich es verkaufen darf, ist mir bewusst - die Frage war ob ich auf meiner Website rechlich darauf hinweisen muss, dass mein Produkt nicht Straßenzulässig ist.

- Bei Elektronik ist es so, dass jeder ein CE zeichen drauf machen darf und damit dem Kunden vermittelt es entspricht den Anforderungen. Ob es dann tatsächlich konform war, muss der Importeur/Hersteller erst dann mit Tests belegen/beweisen, sollte es im Schadenfall zu einer Klage kommen.

- Ich baue eine Sportster Klemme auf eine Sportster - nur dass die Sportster Klemmen eben alle keine Gutachten haben.... hab mich vielleicht schlecht ausgedrückt.


Geschrieben von Sam V am 22.11.2021 um 21:20:

Also, das ist eine Grauzone. Grundsätzlich sind die Lenker-Klemmböcke (Riser) eintragungspflichtig. Jetzt kann man argumentieren, dass die Riser als Gesamtsystem aus den unteren Teilen und den oberen Klemmblöcken bestehen, dann wären der Wechsel von denen eintragungspflichtig. Damit stellt sich übrigens auch die Frage nach der Eintragungspflicht der verwendeten Schrauben, wenn diese nicht die im Kit enthaltenen sind. Oder dass eben nur der untere Teil, auf dem sich normalerweise auch die Nummer befindet der eintragungspflichtige Teil ist, da er die Höhe des Lenkers bestimmt.

Wenn man es ganz eng sieht, gilt die ABE und das Gutachten von einem Lenker nicht mehr, wenn er auf andere als die originalen Riser geschraubt wird. Also wäre eine ABE der Riser mit einer ABE des Lenkers einfach nur noch ne nette Bemalung. Da hat sich zum Glück aber noch niemand ernsthaft Gedanken drüber gemacht. Man bekommt einfach beides eingetragen.



Ein Verkaufsverbot besteht nur für Teile, die im § 22a StVZO aufgeführt sind und über kein Prüfzeichen verfügen. Das wird aber auch munter ignoriert, da darunter nach Nr. 7 alle Scheinwerfer fallen, die ohne E-Zeichen so verkauft werden. Es obliegt daher erstmal dem, der das anschraubt, sich zu informieren, was er da kauft.

Haften tut der, der so  ein Teil an sein Fahrzeug schraddelt. Oder die Werkstatt, die das dranschraubt. Selbst der TÜV, der das einträgt kann dadurch haften, weshalb heute keiner mehr irgendwas ohne Gutachten einträgt. Dem Händler reicht zum Ausschluß der Haftung ein irgendwie geschriebener Hinweis, dass man das im Straßenverkehr nicht nutzen soll. Weil für das Stehbike im Wohnzimmer sind die Teile ja in Ordnung.

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Ein Motorrad muss einen Vergaser haben. Mehr gibt es da nicht zu sagen.

Was man erträumen kann, kann man auch bauen.