Wie kann man denn in so ein teures Bike einfach „HD-Öl“ kippen, ohne vorher die Beschreibung zu lesen

. Dann leiste ich mal Aufklärungsarbeit

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Das gar nicht mehr so neue HD 15W50-Öl ist doch beschreibungsgemäß eindeutig für die RH-Motoren gedacht. Hintergrund: Diese modernen Motoren sind gleitgelagert, was für ihr gegenüber den traditionellen HD-45Grad-VTwins viel höheres Drehzahlniveau erforderlich ist (die traditionellen HD-Big-Twin-Motoren sind wälzgelagert, was für hohe Drehzahlen ungeeignet ist). Das eigentlich einzige Problem von Gleitlagern ist, dass beim Motorstart ihr Zapfen gleichzeitig mit der Ölpumpe anfängt zu drehen. Dadurch kommt das Öl gegen den Druckverlust in den Ölleitungen nach dem Motorstart eben erst zeitverzögert am Lager an. In der Zwischenzeit läuft das Lager mit dem hoffentlich bischen Restöl im verschleißintensiven Mischreibungsbereich. Erst wenn aus der angeschlossenen Ölleitung das Förderöl sprudelt, schwimmt der Zapfen auf dem Ölfilm auf, den er durch seine Rotation auf der gesamten Gleitlagerschale verteilt. Diesen Zustand nennt man „Gleitreibung“. Solange die durch eine nichtnachlassende Ölzuführung nicht zusammenbricht, läuft der Zapfen in der Schale verschleißfrei. Da es bei gleitgelagerten Motoren darauf ankommt, dass beim Motorstart , und insbesondere beim Kaltstart, das Öl von der Pumpe möglichst schnell durch die Ölleitungen zu den Gleitlagern gedrückt wird, nimmt man hier Öle, die im kalten Zustand dünnflüssiger sind, weil sie damit weniger innere Reibung und weniger Reibung an den Leitungswänden haben und somit der hemmende Druckverlust geringer ist. Solche Öle erkennt man daran, daß sie eine kleinere Zahl vor dem „W“ haben. 15 ist hier das Maximum, was vorkommt, bei Automotoren ist 5 üblich und es gibt sogar 0. 15W ist aber im Bereich der üblichen gleitgelagerten luftgekühlten Motorradmotoren die Regel (ich kann nicht alle denkbaren Ausnahmen kennen). Da wassergekühlte Motoren nicht so heiß werden, kann die Viskosität bei Betriebswärme geringer sein => die Zahl NACH dem W (bei Automotoren üblich) kleiner. HD bleibt hier aber auch für die wassergekühlten RH - Motoren bei den verhältnismäßig hohen Viskositätsklasse „50“.
Das klassische HD 20W50-Öl ist vorgeschrieben, weil der traditionelle HD-45Grad-VTwin als m.W. mittlerweile weltweit einziger KFZ-Motor im zivilen Bereich wälzgelagert ist, seit TC mit Ausnahme der/des äußeren NW-Lager/s. Wälzlager haben meist eine äußere Lagerschale, in der sich unten nach Motorstop Öl sammelt, was bei der ersten Umdrehung des Motorstarts die Wälzkörper und ihre inneren und äußeren Lagerschalen komplett schmiert. Da die rotierenden Wälzkörper die Funktion der rotierenden Ölteilchen beim Gleitlager übernehmen, herrscht hier gleich bei der ersten Umdrehung Rollreibung, die noch geringer ist als Gleitreibung, weil sich hier keine rotierenden Ölteilchen in rauen Mengen aneinander reiben. Bei den unteren Pleuellagern hat man mittlerweile seit TC jegliche Lagerschalen wegrationalisiert, aber das Öl wird von den seitlichen Hubscheiben beim Gabelpleuel und von ebenjener Gabel beim Messerpleuel genauso gut in dem untersten Lagerbereich - nach Motorstop - gesammelt, sodass auch hier verschleißarme Rollreibung ab der ersten Umdrehung herrscht. Weil die Wälzkörper aber auf Dauer wie Mahlsteine einer Mühle die Ölmoleküle zerreiben und zerkleinern, was das Öl bis zum nächsten regulären Ölwechsel immer dünnflüssiger macht, ist die unterste zulässige Viskositätsklasse für Kaltbetrieb, also vor dem „W“, eine 20.
Wenn man dünnflüssigeres Öl - wie hier vom TE - einfüllt, wird das noch VOR dem nächsten regulären Ölwechsel so dünn gemahlen, dass irgendwann die Ölpumpe nicht mehr „dicht“ genug ist - will heißen, ein Teil des geförderten Öls strömt direkt an ihren Rotor -„Spitzen“ und - „Flanken“ wieder zurück auf die Niederdruckseite - sodass der Förderöldruck im System und damit die zu den Schmier- und Kühlstellen geförderte Ölmenge zu gering wird.
Fazit:
Nun ist 15W50 im kalten Zustand kaum dünnflüssiger als 20W50, sodass es vollkommen ausreichend ist, dieses Öl nicht erst nach den regulären 8000 km zu wechseln, sondern zum Saisonschluß, außer der TE ist einer der seltenen Vielfahrer, der die 8000 km/Saison schafft. In diesem Fall würde ich es spätestens nach 4000 km wechseln, bis dahin haben die Wälzkörper das Öl noch nicht zu dünnflüssig zermahlen. Gerade beim M8 ist das auch für die Auslassventilkühlung wichtig, weil die nach der Motorölabsaugpumpe in die Ölrückförderleitung zum Öltank eingeschleift ist und auch von dieser Ölpumpe zu dünnflüssig gemahlenes Öl nicht im für die Kühlung der Auslassventile ausreichenden Massenstrom gefördert werden kann.
Nur für die, die sich für die Hintergründe interessieren, leicht off topic

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Die Rollreibung der Harleymotorlager ist eine der Ursachen für den überraschend geringen Verbrauch dieser vergleichsweise riesigen Motorradmotoren trotz des Luftwiderstands einer gotischen Kathedrale, die so ein klassisches Big Twin - Motorrad hat, zumal die Cruiser ohne Verkleidung. Die Gleitreibung der üblichen KFZ-Motorlager ist erheblich höher als die Rollreibung von Wälzlagern. Beim HD-Motor hat das Wälzlager nur deswegen „überlebt“ weil er kostensparend nur einen einzigen Hubzapfen hat, auf den man beide Pleuel und alle drei erforderlichen Wälzlager in einem Arbeitsgang schieben kann und andererseits in der dritten Ölbohrung des Hubzapfes von rechts gesehen für ein Gleitlager einfach nicht mehr genug Öldruck für das Wälzlager in der linken Gabelhäfte ankäme (offofftopic: wie das Pleuellagerdesaster des Tiger-Panzers eindrucksvoll belegte). Mithin erfordert das Messer-Gabelpleuelkonzept die Beibehaltung der KW-Wälzlagerung. Aber selbst dafür ist eine aus mindestens drei (beim Big Twin vier) Teilen exakt fluchtend (!) zusammengebaute Kurbelwelle (wie beim Einzylinder-Zweitakter) erforderlich, weil erst der mit Pleueln und ihren Wälzlagern bestückte Hubzapfen mit den Hubscheiben verbunden werden kann. Bereits beim BMW-Boxermotor mit zwangsläufig zwei Hubzapfen war das mit fünf fluchtend zusammenzusetzenden Kurbelwellenteilen so teuer, dass man ab 1969 mit der /5-Baureihe auf die einteilige Kurbelwelle nach Autoart umstellte, die mit ihren Gleitlagerzapfen wiederum die geteilten Pleuel (aus dem BMW - 2,5 ltr 6-Zylinder) erforderte. Ein Nachteil von Wälzlagern ist, dass sie empfindlich für Erschütterungen sind und deswegen in Verbrennungsmotoren erheblich größer dimensioniert werden müssen, als es ihre kräftemäßige Belastung erfordern würde. Diese Erschütterungen führen auch irgendwann zum Versagen der Wälzlager, sodass ihre Gesamtlebensdauer letztendlich auf das gleiche hinausläuft wie die irgendwann von Kaltstartmischreibung aufgeriebenen Gleitlager. Der eindeutige Vorteil von Wälzlagern ist, dass sie eine zeitlang ganz ohne Ölversorgung mit dem im KW-Gehäuse rumspritzenden Öl schadensfrei laufen können, wie die ölpumpenlose Gemischschmierung des Zweitakters anschaulich belegt. Demgegenüber sind die Notlaufeigenschaften eines Gleitlagers grottenschlecht, will heißen, wenn die Öldrucklampe aufleuchtet, sind Gleitlager schon perdu‘
Fun Fact

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Die erste Generation der japanischen Vierzylinder, ab 1969 beginnend mit der Honda CB750, übernahm von ihren englischen Zweizylinder-Reihenvorbildern noch die komplette Wälzlagerung der Kurbelwellen. Hier hatten die Japaner zur Sicherheit lieber einfach mal kopiert. Man kann sich ausmalen, aus wievielen Bauteilen eine komplett wälzgelagerte 4-Zylinder-Kurbelwelle, und auch noch komplett fluchtend, zusammengesteckt werden muss. Das konnten selbst die Japaner kostenmäßig auch nur mit ihrem rigiden Lohn-, Umwelt- und Währungsdumping der frühen Siebziger darstellen. Schon die zweite Generation (die bei Honda schon mit der CB500 begann) hatte Gleitlagerung wie Automotoren …
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„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)
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