Zeitz scheint sich ein Beispiel an den Strategien der Autoindustrie zu nehmen: er macht genau das Gegenteil von Levatich: Er setzt nicht mit Bronx &Co auf den Massenmarkt, sondern auf den Premiumsektor (typisch für solche radikalen Strategiewechsel sind Übergangsszenarien: für die Pan Am sind wahrscheinlich schon die Produktionsanlagen bestellt, und die sind bei der heutigen Automatisierung so auf das Modell spezialisiert, das sie bei Abbestellen trotzdem bezahlt werden müssten.).
Beim Massenmarkt geht nach Vorbild der Japaner und Chinesen alles über den Preis, egal wie ausgefuchst die Technik ist. Man muss hohe Stückzahlen in den Markt drücken, um bei den geringen Margen überhaupt eine Rendite zu erwirtschaften. Zeitz hat wohl erkannt, dass er mit Bronx & Co gegen erfahrene Giganten wie Honda mit 5 Mio Bikes / Jahr im Massenmarkt keine Chance hat, dass die Idee von Levatich , mit auswechselbarer gesichtsloser, also „zeitgemäßer“ Massentechnik über den Preis gegen Giganten wie Honda in den Ring zu steigen, von vornherein völlig abwegig war. Deswegen musste Levatich auch gehen, weil diese Strategie die Großaktionäre mit den Augen rollen ließ.
Der Premiumsektor bringt bei geringen notwendigen Stückzahlen ordentliche Margen. Harley hat Erfahrung damit, was Premium für Voraussetzungen erfordert: Du musst etwas einzigartiges haben, was die Kunden seit Jahrzehnten fasziniert und durch lange Historie nicht kopierbar ist: Der Rolex-Kunde weiß, dass seine Uhr in der Ganggenauigkeit mit einer 25€-Smart-Watch nie wird konkurrieren können, aber er bekommt ein mechanisches Kunstwerk mit einer einzigartigen Unruh in kostspieliger Tourbillon-Bauweise.
Bei Harley sind das zwei Eigenschaften:
- mechanisch äußerst aufwendig das Gabelpleuel , die komplette Wälzlagerung und die OHV-Bauweise, sowie gleich 3 klassische Ölhaushalte mit der daraus resultierenden einzigartigen Optik des Triebstrangs (in „modern“ geht das viiiiel billiger)
- das einzigartige traditionelle (daher ausser von Indian mit gleicher Tradition von der Konkurrenz nicht verwendbare) Art Deco Design der 30er bis 50er Jahre.
Ich wage vorauszusagen, dass Zeitz diese Eigenschaften bei stark anziehenden Premium-Preisen auf die Spitze treiben wird, zumal er bei
Art Deco Design wieder Indian als Konkurrent hat, die dieses Design als erste in den 30ern auf Motorräder übertragen haben. Umso wichtiger werden die o.g. technischen Alleinstellungsmerkmale. Hier greift bereits BMW mit der designtechnisch missglückten R18 an, das lässt sich aber beheben.
Märkte, in denen die klassische Technik Zulassungsprobleme hat, werden nicht mehr bedient und bekommen politisch wegen der bedrohten Arbeitsplätze Feuer unter dem Arsch, da wird schon der republikanische Senator von Wisconsin für sorgen:
- Trump droht jetzt schon Kalifornien, ihnen die seit den 30ern zugestandene Eigenständigkeit bei der Festlegung von - erheblich strikteren als im Rest der USA - Grenzwerten für den Verkehr zu entziehen, und flugs wäre die Sporty dort wieder verkaufbar. GM und Ford unterstützen Trump hierbei.
- Die EU bekommt weitere deftige Strafzölle wegen nichttarifären protektionistischen Handelshemmnissen wie der Euro 5 aufgebrummt
- Leute, genau deswegen wird Trump gewählt, macht Euch da nix vor. Ethische Belehrungen aus Deutschland kümmert die amerikanischen, mangels Sozialstaat in Existenzängste gestürzten Wähler und Arbeitnehmer einen feuchten Kehricht. Und auch Biden hat genau deswegen schon verlautbart, in Markthemmnisfragen genau diesen Haudraufkurs weiterzuverfolgen, nur ohne die krassen Trump‘schen Sprüche,
- Cessna hat es schon vor vielen Jahren vorgemacht, die haben ihr weltweit beliebtes Basismodell wegen völlig überzogener Produkthaftung einfach 10 Jahre nicht produziert - mit entsprechenden Arbeitsplatzverlusten - bis die amerikanische Juristenlobby hier eine ihrer seltenen Schlappen einstecken musste und die Produkthaftung für Privatflugzeuge drastisch entschärft wurde. Ihr könnt sicher sein, dieses Beispiel wurde im Hinblick auf europäische / kalifornische (demokratische) Schikanen wie Euro 5/analog nicht vergessen.
Wer hier auch in diesem Forum wohlfeile Sprechblasen absondert wie „Harley muss mit der Zeit gehen“ und die Premiumalleinstellungsmerkmale sind ewig gestrig, deswegen auf in den uniformen Massenmarkt, in dem ausschließlich über den Preis verkauft wird, hat sich offensichtlich noch nie gefragt bzw. nie verstanden warum es Rolls Royce, Bentley, Lamborghini oder Ferrari immer noch gibt, obwohl Ferrari billigste Fiat-Armaturen hat, und alle recht unzuverlässig sind, wenn es doch die bei Kampfpreisen technisch viel mehr Gegenwert und Langlebigkeit fürs Geld bietende todsterbenslangweilige Massen-Marke Toyota gibt. Auch für Rolex (aufwendige leistungsschwache Uralttechnik wie Harley) vs. Swatch (höchst billig bei exaktester Präzision und Leistungsfähigkeit, wie Honda) hat er sich diese Frage offensichtlich noch nie gestellt, geschweige denn beantwortet.
Bei den Autos sterben die Massenmarken gerade alle, ob Opel (nur noch als Aufkleber auf Peugeots), Fiat-Chrysler, Renault oder Nissan. Andere wie Volvo sind schon China-Derivate. Für Mercedes erweist sich die schon einmal nicht ohne Grund völlig umgestrickte A-Klasse als Beitrag zum Massenmarkt als finanzieller Klotz am Bein. Und da behaupteten tatsächlich welche, dieser Markt wäre der Richtige ausgerechnet für Harley-Davidson? Seine einzigen Kronjuwelen wäre ewig gestrig? Das uniforme Mangadesign zum Kampfpreis wäre zeitgemäß und dergleichen hohle Floskeln „moderner aufgeschlossener Menschen“ anscheinend ohne Ahnung vom Geschäft.
Ich glaube dass diese „den anderen hinterherlaufen“-Strategie unter Zeitz ihr Ende findet. Die Zeichen stehen mit dem sang- und klanglosen Verschwinden der ach so modernen, jugendlichen austauschbaren Bronx an der Wand. Entsprechende Äußerungen mit „Fokussierung auf Harleys Stärken“ gibt es auch schon, ich habe diese Stärken oben beschrieben.
Nicht Masseneinheitsbrei bringt Kohle - das ist 50er-Jahre-Denke- sondern Premium mit langer Historie bringt in einer Welt des Markenfetischismus die fette Kohle. Sonst wären die Massenjapaner aus diesem Segment nicht aus- und Indian und BMW mit technisch vergleichbar langer Premiumhistorie nicht mit ganz spezifischen explizit hochpreisigen Produkten eingestiegen. Zeitz wird auf eine Reduktion der Produktion bei gleichzeitiger Erhöhung der Marge setzen. Erreichen wird er das durch die explizite Zuspitzung der Premiumeigenschaften, mit der er höhere Preise durchdrücken kann.
Eigentlich war das so schon die ganze Zeit sonnenklar, aber auch Manager lassen sich von wohlfeilem Mainstreamgequatsche im Netz immer wieder in die Irre führen. Dabei kauft kaum einer dieser Pos(t)er je eine Harley oder eine Rolex.
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„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)
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