Nachtrag 1: Ein Vergleich Late Ironhead und Late Evo mit RM-Evo
Foto 1: Wie schon berichtet, hat der mutmassliche Hohlblockstein links die ganze vorverlegte Fußrastenanlage abgeschert. Um eine neue einzubauen, nehmen wir die ihn aufnehmenden Blechadapter links und rechts heraus, die als ihre Hauptaufgabe den Motorblock vorne am rahmen halten. Wie Ihr seht, sind links zwei Bolzen im Rahmen verschraubt und rechts halten 2 Bolzen mit Doppelfunktion - was immer problematisch ist wegen unerwünschter Wechselwirkungen der Funktionen - einmal die Kurbelgehäusehälften vorne zusammen und verbinden diese andererseits mit den beiden Blechadaptern (hier im Bild der in Fahrtrichtung links). Das ist keine gute Konstruktion, wie sich beim Demontieren herausstellt: Wie erwartet, sind die Gewinde auf den Bolzen und im Blechadapter rechts völlig fertig, d.h. wir können sie nach Montage der neuen vorverlegten Fußrastenanlage nicht mehr festziehen.
Das ist ein grundlegendes Manko, was uns regelmäßig bei ALLEN im Rahmen festverschraubten Harley-Kurbelgehäusen begegnet. Insofern ist der RM-Evo und die gleichartige Gummilagerung des großen Evo und Twin-Cam eine durchaus sehr sinnvolle Weiterentwicklung. Dies all jenen, die hier im Forum schreiben, der RM-Evo wäre kein richtiger Sporty-Motor mehr (ich nenne keine Namen
). Diese sollten diese Verschraubung regelmäßig prüfen und bei spätestens 50 TKM mit einem Austausch rechnen. Dumm nur, dass die aufnehmenden Gewinde direkt in den rechten Blechadapter geschnitten sind, eine angesichts der zu erwartenden höchst begrenzten Lebensdauer unverständliche Sparmaßnahme von Harley, um nicht auf gut Deutsch zu sagen: "Kundenverarsche". Angesichts meiner vorangegangenen Schilderungen könnt Ihr Euch denken, was es bedeuted, einen solchen rechten Blechadapter zu beschaffen, zumal ihn Harley bei der Konstruktion anscheinend als Verschleißteil
klassifiziert hat
. Da unser Kunde Kosten sparen will /muß, braten wir ihm eine entsprechenden Mutter drauf und lackieren das Ganze schön glanzschwarz über.
Foto 2: soll Euch zeigen, daß echte Gleichläufer und "Quasigleichläufer" (engwinklige V2) die mit Abstand heftigsten Kräfte in ihr vorderes Motorlager einleiten. Das wirklich aussagekräftige Bild habe ich in Helmut Heuslers sehr empfehlenswertem Buch "Boxertechnik" gefunden. Die Kurven sind auf einen 1000 ccm Zweizylinder normiert berechnet. Man sieht, dass der Reihentwin in der Konfiguration als brutaler absoluter Gleichläufer mit seiner Krafteinwirkung von 11800 N auf das vordere Motorlager alle Rekorde schlägt. Dieser Motor ist der klassische Engländer, bei dem beide Kolben gleichzeitig rauf und runtergehen. Hier also ein weiterer Grund, warum diese Motoren bis auf BMWs F800R seit 2017 ausgestorben sind: Um mit der CB750 wenigstens halbwegs mitzuhalten, wurden sie von ihren ursprünglich durchweg 500 ccm der späten 40er (den diese Motorenbauart begründenden Speedtwin mit 500 ccm brachte Triumph 37 heraus) über 650 ccm der 50er schließlich Anfang der 70er auf 750 ccm im Hub vergrößert und aufgebohrt. Selbst der vorletzte dieser Art, meine luft-ölgekühlte Bonnie-Thruxton, die bis 2016 gebaut wurde, fängt trotz gleich zweier Ausgleichswellen wegen 790 ccm bis zuletzt 865 ccm ab 5500/min derart mörderisch an zu rütteln, dass man um die Substanz des Motorrades fürchtet. Gleiches ist von der F800R trotz noch viel aufwendigerem Ausgleichspleuel interessanterweise gleichfalls ab 5500/min bekannt. Interessant, dass das niemals groß Gegenstand in irgendeiner Publikation war ... . Man sieht, hier ist ein Konzept, das mit 500 ccm noch akzeptable Schwingungen produziert , mal wieder völlig überreizt worden. Das hatten wir auch schon bei Big Twin, der mit 80 cui eigentlich das maximal vertretbare Maß erreicht hatte. Bei allen Hubräumen darüber traten die bis 80 cui noch vertretbaren Nebenwirkungen mit fragwürdigen Extremen zutage, wie wir an den Macken des TC schön sehen.
Warum erzähle ich Euch das? Nun, Wie die RM-TC- und RM-Evo-Sporty-Fahrer von ihrem Popometer wissen, liegt ein nur 45 Grad gespreizter V-Twin nicht weit von einem brutalen Gleichläufer weg, denn die Kolben sind ja auch fast gleichzeitig oben und unten. Eigentlich wird auf die im Bild berechnete 360-Grad-Gleichläufer-Kurve nur noch eine kleine fiese hochfrequente Oberschwingung aufmoduliert.
An der Kurve für den "180 Grad Twin" darunter seht Ihr schön, warum alle klassischen japanischen Paralleltwins (mit Ausnahme der Yamaha XS 650 als Norton-Kopie und der W 650/800 als Triumph-Kopie) mit ihrem traditionell starr verschraubten Motorblock als Gegenläufer (ein Kolben oben, einer unten) konzipiert sind. Und die Boxerhasser hier im Forum sehen wunderschön, wie der Boxer die Vorteile des Gleichläufers (gleichmäßiger Zündabstand von 360 Grad abwechselnd zwischen beiden Zylindern) mit der Laufruhe des Gegenläufers kombiniert und die Eliminierung der Massenkräfte zweiter Ordnung als einziger (!) der Zweizylinder noch oben draufsetzt. Man sieht auch, dass selbst die 90Grad -V-Twins von Guzzi und Ducati ihre Motorlager mit erheblich geringeren Kräften belasten als die Harley-V-Twins. Insofern ist nichts dagegen einzuwenden, daß BMW seine Boxer noch heute im Rahmen traditionell starr verschraubt. Bei Harley hingegen stellt m.E. erst die Gummilagerung die Standfestigkeit des Konzeptes wirklich sicher. Vorher zerstörte der Motor langsam aber sicher seine gesamte Peripherie
Wer sich nicht sicher ist, ob er eine Early-Evo-Sporty mit Late Ironhead-Block oder eine Late-Evo vor sich hat, erkennt dies leicht daran,
Foto 3: ... dass die Early-Evo-Sporty für ihre - gegenüber den durchweg serienmäßig starren Stößeln des Ironhead - längeren Hydrostößel auf ihrem Late Ironhead-Block aufgeschraubte Gehäuseverlängerungen braucht, ...
Foto 4: ... während die längeren Hydrolifterführungen auf dem eigens für die Late-Evo-Sporty konstruierten 5-Gang-Block direkt angegossen sind. Die kleinen Schräubchen verhindern übrigens das Verdrehen der Stößel, weil dass für ihre auf den Nocken dann schräg ablaufenden Rollen äußerst unvorteilhaft wäre.
Foto 5: Der RM-Evo hat, wie bei Harley leider üblich, aber nicht nur Vorteile gegenüber dem Late Evo, sondern leider auch einen ganz gravierenden Nachteil. Wie Ihr seht, seht Ihr nichts: und zwar KEINE Trapdoor! Die linke Gehäusewand des Getriebes ist nicht mehr, wie seit 52, vom Motorblock abschraubbar, sondern fest mit ihm vergossen! Das bedeuted, ein Getriebeschaden stellt einen Fahrzeugtotalschaden dar
Foto 6: während bei den Japanern schon deutlichaufwendiger als wie bei der Sporty bis 2003 der Motor ausgebaut und auf den Kopf gestellt werden muß, kann man dann aber sehr einfach die UNTERE Gehäusehälfte abschrauben. Wir erinnern uns: Die Japaner haben durchweg von der Frankfurter (!!!) Adler MB250 die horizontale Gehäuseteilung kopiert. Akzeptabel ist das, weil bei einem Getriebeschaden der Motor NICHT zerlegt werden muß, weil er ja mit Kurbelwelle, Zylindern und Köpfen komplett in der Oberen Gehäusehälfte liegt bzw. verschraubt ist. Anders bei der RM-Evo: Hier muß ich
- den Motor aus dem Rahmen nehmen
- das gesamte Topend inklusive Kolben und Stoßstangen demontieren
- und schließlich die Gehäusehälften trennen (was das für ein Aufwand ist, seht Ihr ganz am Beginn dieses Threads, hier noch mehr, weil der Motorblock auch beide Getriebewellen umfasst)
um an das RM-Evo-Sporty-Getriebe zu kommen.
Also lasset uns alle beten, dass wie nie nie nie einen Getriebeschaden an unseren RM-Evo-Sporties haben
Ich hoffe, der eine oder andere Mitleser versteht jetzt auch besser, weshalb ich das in gängigen Publikationen durchweg sträflichst vernachlässigte Thema "Teilungsebenen = Trennfugen" in diesem Thread so ausgewalzt habe: weil es nämlich hinsichtlich der Zugänglichkeit eines Schadens kriegsentscheidend für den Aufwand / die Kosten ist, weil eben das gleiche defekte Zahnrad bei der Sporty bis 2003, wie Ihr oben gesehen habt, eine Bagatelle ist und bei der Sporty ab 2004 ein wirtschaftlicher Totalschaden. Wir haben gesehen
- dass der Big Twin hier bis zum M8 mit seinen archaischen unzähligen Teilungsebenen den Vogel abschießt in punkto Zugänglichkeit und damit Instandsetzbarkeit. Die vielen, vielen Teilungsebenen / Trennfugen sind eben "typisch aufwendig Harley" im besten Sinne. Das kostet in der Produktion eben sein Geld, denn irgendwer muß das ja alles aufwendig erst mal separat produzieren und dann noch zusammenschrauben. Anscheinend ist das den meilenfressenden Amis den enormen Aufpreis für die extrem kostspielige Produktion wert, daß sie einen Big Twin, seinen Primärtrieb und sein Getriebe autoartig separat demontieren und instandsetzen bzw. für Motorräder einzigartig typischerweise im Werk generalüberholen lassen können. Das ist schon mal eine einzigartige Werthaltigkeit des Produktes für den Kunden, an die kein anderer Hersteller ranreicht.
- dass die Sporty bis 2003 diese Big Twin - Eigenschaften mit ihrer deutschen DKW-Konstruktion trotz Motor-Getriebeblock eher noch vereinfacht und verbessert hat.
- dass die Japaner, wie üblich, den goldenen Mittelweg zwischen niedrigen Produktionskosten und Instandsetzbarkeit mit vertretbaren Kosten gewählt haben, nach dem Motto: wenn Neumotorräder billig sind, brauchen die bereits verkauften auch nicht so kostengünstig instandsetzbar sein. So denkt eben jemand, der ein Wegwerfprodukt in möglichst großen Stückzahlen billig in den Markt drücken möchte, eine Unterstellung, die der Harley-Big-Twin-Konstruktion diametral widerspricht.
- BMW ganz ohne Trennfuge bei seinem klassischen Zweiventiler bis 96 bei Kurbelwellen Reparaturen seinem Ruf der optimalen Zugänglichkeit ganz und gar nicht gerecht wird. Der Wasserboxer ist da in jeder Hinsicht noch viel schlimmer, von seinem Motor-Getriebeblock über die autoartig angegossenen Zylinder bis hin zu den deswegen unabdingbaren Spezialwerkzeugen , um z.B. durch ein merkwürdiges seitliches Loch den Kolbenbolzen zu demontieren,.
- die RM-Evo-Sporty in dieser Hinsicht leider eine absolute Katastrophe ist, schlimmer als jeder Japaner. Solange im Block nix kaputtgeht, ist sie besser als jede Sporty vor 2004, aber wehe, wenn
Foto 7: Aber warum nur haben die das bei der RM-Evo-Sporty so gemacht? Der Grund ist in diesen 4 Schrauben der Trapdoor zu suchen. Aufgrund ihres OHV-Klapperatismus mit vielen gegeneinandertackernden Teilen und lauten Wälzlagern im gesamten Kubeltrieb sowie speziell der Zahnradkaskade zum Antrieb der Nockenwellen bei der Sporty produziert der Harley -Motor weit überdurchschnittliche mechanische Geräusche. Nachdem man mit Sekundärzahnriemen und Hydrostößel alle Register der lediglichen Modifikation der von 29 bzw. 52 überkommenen Konstruktion gezogen hatte, blieb für 2004 nur noch eine deutliche Umkonstruktion üblich, um den zukünftig zu erwartenden Lärmvorschriften begegnen zu können - so ein Harleymotor muß ja im Schnitt mindestens 15 Jahre lang zulassungsfähig sein. Man entschied sich offensichtlich, die seit 29 viel ältere Motortradition ( Zahnradkaskade zum Antrieb der charakteristischen 4 untenliegenden Nockenwellen) als typischer für die Sporty einzuschätzen als die deutsche DKW-Getriebekonstruktion mit der Trapdoor von 52.
Diese verträgt sich nämlich nicht gut mit schrägverzahnten Zahnrädern, weil die eine deutliche axiale Kraft auf die 4 mickrigen Halteschrauben ausüben würden, was erheblich dickere Schrauben und eine deutliche Gehäuseversteifung um die Sacklöcher erfordert hätte - oder gleich den ganzen Rand der Trapdoor mit unzähligen Schrauben am Gehäuse vernähen. Da vergoss Harley lieber gewichts- und platzsparend gleich die gesamte Kante der Trapdoor mit dem Gehäuse, da diese durchgängige Verbindung viel besser ohne Gehäuseverstärkung die Axialkräfte der schrägverzahnten Zahnräder aufnehmen kann. Warum das alles? Nun, schrägverzahnte Zahnräder laufen erheblich leiser aufeinander ab, weil "die nächsten" Zähne schon anfangen, SPIELFREI ineinanderzugreifen, wenn "die vorherigen" noch nicht ausgespurt sind. Da zwischen der Rückseite jedes eingreifenden Zahnes und seinem Nachfolger auf dem Gegenrad ein Spiel sein muß, damit hier nicht unnötige Reibung entsteht, wird bei Geradverzahnung (!!!) dieses Spiel bei absolut GLEICHZEITIGEM (statt bei Schrägverzahnung "gleitend überlappendem") Übergang des Eingriffs von den "vorherigen" auf die "nächsten" Zahnpaare mit einem deutlichen Klack überbrückt. Der Unterschied war bei Autogetrieben bis in die 80er deutlich hörbar: der geradverzahnte Rückwärtsgang heulte wie die Sau, während die schrägverzahnten Vorwärtsgänge geräuschlos liefen. Deswegen hat sich das im Automobilbau seit den 30ern flächendeckend durchgesetzt. Wer mal einen Autooldtimer bis in die frühen 30er mit seinen heulenden Vorwärtsgängen gehört hat, weiß, was ich meine ... . Die Japaner habensichübrigens die kostspielige schrägverzahnung bis heute flächendeckend verkniffen, dies für die, die meinen, die Harleytechnik wäre primitiv = billig. Das können sich die Japaner wegen gleitgelagerten, wassergekühlten Motoren mit OHC oder DOHC-Köpfen eben noch erlauben. Bin gespannt, ob hier EURO 5 eine grundlegende Änderung bringt ...
Buchstäblich in den Arsch gekniffen sind die Vergaser-RM-Evo-Sporty-Treiber 2004 - 2006: Diese haben noch kein schrägverzahntes Getriebe, aber eben auch nicht meh r die Vorteile der Trapdoor.