Foto 1: Beim Big Flatty waren wir ja an der Stelle stehen geblieben, wo trotz handbuchgerechter Lösung aller Schrauben und Spannbügel weder der Nockenwellengehäuselagerdeckel noch die Lichtmaschine abgingen. Letzere ist wenigstens lose. Um an dem wertvollen, wahrscheinlich unwiderbringlichen Material (die Big Flatties hatte der After Sales Market noch nie auf dem Schirm) keine Schäden zu riskieren ...
Foto 2: ... wenden wir uns an einen alten Kumpel, ich nenne ihn mal "Kumpel W", für den Harley schon seit den 80ern mit Late Shovel aufhörte. Konsequenterweise ist sein einziges (!) Familien(!)Fahrzeug just eine Big Flatty
wie unser rotes Projekt (die 2 Söhne sind erwachsen und wollen vom Alt 68er Harleyleben naturgemäß nix wissen
) , ergänzt um einen Beiwagen. Hier stimmen natürlich auch die Farben, sodaß Ihr schonmal einen Eindruck bekommt, wie das rote Projekt später aussehen soll. Zum Thema Farbe: ich kenne ihn aus der überübernächsten Nachbargemeinde schon seit Ende der 70er flüchtig vom Sehen (das hat wohl was in mir ausgelöst). Damals war er in seiner gelben Phase: Die gelbe Starrahmensporty mit gelben Zylindern und Köpfen und den Panhead mit gelbem Zubehörrahmen, natürlich mit den damaligen Tankmotiven, hat er heute noch. Damals hatten der TÜV und die Zulassungstelle halt noch keine Ahnung ... (goldene Zeiten)
. Das mit dem UL-Motor wird jetzt einige Zeit dauern , denn er hat gerade einen WL-Motor in der Mache (was mir für euch zu schönen Fotos verholfen hat, doch davon später ...) , ...
Foto 3: ... wenden wir uns unseren Winter-Aufträgen zu. Das 16-Zoll-Vorderadprojekt macht Fortschritte.
Foto 5 [Das Forum wollte partout nicht Foto 5 vor Foto 4 einreihen, da hab ich irgendwann aufgegeben
] kennt Ihr schon. Die Geschichte dahinter ist fast so traurig wie die von unserem Early Shovel-Projekt (ich lass ab jetzt das Wort "Sporty" weg, weil es eh klar ist, daß es ab jetzt nur um Sporties geht
) : Diese "Early-Evo" von 86 -89 mit "Late Ironhead-Motorblock", der 77 mit seinem passenden neuen Dreiecks-Rahmen im Cafe Racer debütierte, stand nach einem intensiven Biker-Leben die letzten Jahre in einem feuchten Rohbau
, der in Eigenregie irgendwann mal ein Eigenheim werden soll (wer kennt nicht solche faulen Kompromisse mit der Chefin
). Bei einer Baumaßnahme vor einiger Zeit fiel sie unglücklich mit der linken Seite gegen irgendeinen Hohlblockstein (oder was weiss ich
), der die vorverlegte Fußrastenanlage links komplett abscherte (die Bruchstelle war schon wieder angerostet). Unser Kunde stellte fest, dass sich die Gänge nicht mehr durchschalten ließen und schraubte den Primärdeckel ab, mit der üblichen Diagnose, daß wohl die Schaltwelle verbogen sei. Anscheinend stellte er fest daß er auch mit elend langer Verlängerung die Wellenmutter auf dem linken Kurbelwellenhauptlagerzapfen, die das Primärkettenritzel sichert, nicht abkriegt und schlug bei uns mit der Maßgabe auf, wir sollten das Getriebe mit geringstmöglichem Aufwand
wieder schaltbar machen.
Nur für die, die der historische Hintergrund interessiert, noch eine kutze Abschweifung zum "Late Ironhead-Motorblock", mit seinem passenden neuen Dreiecks-Rahmen im Cafe Racer von 77 bis 78: Auch hier schreibt die Journaille seit Jahrzehnten in Zeitschriften und Büchern voneinander ab, daß sei ein Versuch der Aktivierung neuer Zielgruppen gewesen, der leider schief gegangen sei. Wahr ist doch offensichtlich, daß JEDE Fahrzeugbaufirma, und gerade auch Harley, die Betatestung neuer Technik mit irgendeinem kostspieligen Exoten vornimmt, der deswegen nicht Gefahr läuft, in die Hand allzu vieler Kunden zu geraten, die erwartungsgemäß ob ihres besonderen Modells auch besonders nachsichtig bei Problemen sind, um ein Überborden von Garantiekosten möglichst weit einzuschränken. Nachdem der Cafe Racer diesbezüglich seine Schuldigkeit getan hatte, hielt der "Late Ironhead-Motorblock" 1979 mitsamt seinem passenden neuen Dreiecksrahmen Einzug in die Großserie. Die Batterie und der Öltank konnten jetzt hinter den Seitendeckeln versteckt werden (wie ab 2004), die Auspuffkrümmer wurden zu "siamesisshen Zwillingen, was man aber zugunsten der klassischen Optik schon 83 mit der XR1000 wieder aufgab. Die Zeit von 79 bis 82 gilt als die Zeit der größten Geschmacksverirrungen mit entsprechend auf Talfahrt gehenden Neuzulassungen trotz seit der ersten K-Sporty von 52 zum erstenmal grundlegend renoviertem Motorblock und Rahmen. Mit eine Rolle gespielt haben natürlich auch die Absenkung der Oktanzahl bei wegen Katalysatoren in US-Autos neu eingeführtem Bleifreisprit, was den Harleys mit ihren 60er-Jahre Brennräumen drastische Leistungsverluste einbrockte.
Das bedeuted, die folgende Story hilft allen weiter, die ein Getriebeproblem mit einem "Late Ironhead-Motorblock" mit klassischem Viergangetriebe von 77 bis 89 haben. Ab 86 wurde diesem Motorblock einfach ein Top End mit Evo Köpfen und Zylindern verpasst, was man gut an den aufgeschraubten Gehäuseverlängerungen für die neuen, gegenüber den bisherigen starren Stösseln naturgemäß längeren Hydrostösseln schön erkennen kann.
Foto 4: Da das entsprechende Harley-Werkstatthandbuch für teuer Geld viele zum Verständnis wirklich wichtigen Arbeitschritte, wie von uns aufgrund leidvoller Erfahrungen nicht wirklich anders erwartet
, entweder schwarz weiß grob verpixelt oder gleich gar nicht abbildet, habe ich diese Fotos so detailliert geschossen, um dem einen oder anderen in einer ähnlichen Lage vielleicht weiterzuhelfen. Natürlich sollte man gutes Werkzeug haben und möglichst einen Druckluftschrauber wenigstens mal ausleihen können, dann offenbart dieser "Late Ironhead-Motorblock" nämlich seine geniale Konstruktion. Ich glaube, es gibt kein anderes Nachkriegs-Motorrad auf der Welt, wo man das Getriebe bei eingebautem Blockmotor (weiter vorn beschrieben: Getriebegehäuse an Kurbelgehäuse angegossen) innerhalb einer guten halben Stunde ausbauen kann
.
Foto 6: OK, etwas vorteilhaft war hier, dass die Klemmschellen der Schalldämpfergleich ganz fehlten
Foto 7: Um den Deckel über dem Sprocket (Kettenritzel heißt "Sprocket", Zahnriemenritzel heißt "Pulley", hier ist technisches Deutsch mal wieder viiiiiel logischer
) , muß die Übertragungsstange von Bremspedal zum Hauptbremszylinder und dieser selbst auch weg. Er hängt an einer starren
Druckleitung, was druckpunktmäßig ideal und sehr aufwendig, schraubermäßig aber besonders hinderlich ist. Nach dem lösen der kleinen Kreuzschlitz-Halteschraube der Druckleitung am Sprocketcover biegen wir den Bremszylinder vorsichtig aus dem Weg (wir sollen ja weisungsgemäß mit geringstmöglichem Aufwand schaffen
)
Foto 8: Das Sprocket liegt vor uns und ist interessanterweise extrem aufwändig mit einer kleinen Inbusschraube auf 10:00 Uhr neben der Wellenmutter auf der Hauptwelle gesichert.Aalle anderen haben hier ein armseliges Blech mit umgebogenen Kanten zur Sicherung
Am Beispiel der lehrbuchmäßig aufwendigen Druckleitung und dieser Sprocketsicherungsschraube seht Ihr mal wieder einen weiteren Beleg, daß
- das dämliche Stammtischgelabere von der "primitiven" Harleytechnik nur von hirnlos alles nachplappernden Hohlköpfen ohne Ahnung kommen kann.
- Harleys naturgemäß nicht billig sein können
Wie schon gesagt, bei einer Fertigung ohne jegliche Qualitätsmanagement, wie zu AMF-Zeiten üblich, kann´s auch eine lehrbuchmäßig aufwendige Konstruktion nicht mehr rausreissen.
Nach dem Rausdrehen der Inbusschraube ...
Foto 9: ... kommt der Druckluftschrauber zum Lösen der einen von ganzen 2 Wellenmuttern bei dieser Reparatur zum Einsatz.
Foto 10: Die Hauptwelle guckt rechts aus dem Gehäuse.
Tipp 1: Wer die Gesamtfunktion des Getriebes möglichst weitgehend erfassen will, sollte vor dem Weiterlesen vielleicht nochmal meinen Post vom 19.9.2016, getippt um 17:54 Uhr auf Seite 23 über die Funktion des Vierganggetriebes im "Late Ironhead-Motorblock"´nachlesen
. Auf die Bilder komme ich nämlich in den nächsten Posts zum besseren Verständnis nochmal zurück.
Tipp 2: Dem Interessenten an einem "Late Ironhead-Motorblock", ob mit Ironhead- oder Early-Evo-Topend, sollte bewußt sein, daß er sich hier in Baujahren bewegt, wo Originalersatzteile ab Werk die Ausnahme und Zuliefer- oder Gebrauchtersatzteile ein Glückstreffer
sind. Das wird uns am zwangsläufig vorläufigen Schluß dieser Getriebegeschichte noch einiges Kopfzerbrechen bereiten