zum zitierten Beitrag
Zitat von Skogr
Ich fand den Text herrlich polemisch, es steckt ja immer zwischen den Zeilen etwas Wahrheit drin.
Hab geschmunzelt und auch ein kleines imaginäres Schulterklopfen verteilt, weil, Meinung sagen ist immer gut, auch wenn es nicht der Konformität dienlich ist, oder gerade deswegen.
Alles gut meine ich.
Ich hab den Typen aus Heute Show vor meinen Augen gesehen als der das liest, fand das witzig.
Man muss nicht jedes Stöckchen dass einem geworfen wird aufnehmen.
Zwischen den Zeilen habe ich folgende Gedanken zum Thema des Thread "versteckt" : Der idealtypische Denkfehler von Posern wie unseren beiden exemplarischen (danke für diese Steilvorlage) besteht darin, von sich auf andere zu schließen: Danach wäre die Motivation der Zielgruppe der Sportster eine Art "Low Budget Posing"
. Dem stehen folgende Fakten entgegen:
1. Dann hätte die Street die Sportster schon längst vom Markt gefegt. Mit der Street kriegen Low Budget Poser etwas Neues (ganz wichtig) für noch weniger Geld mit modernster Technik auf Japanniveau (ganz wichtig), und entsprechenden Fahrleistungen, und es steht HD auf dem Tank.
2. Offensichtlich haben aber Sportyinteressenten ein ganz feines Gespür für den Unterschied zwischen Klassiker und Retro. Das erklärt auch, warum die 48 die Streetbob seit Jahren vom ersten Platz der HD-Zulassungsstatistik verdrängt hat. Hier kriegt man einen echten Flatheadblock mit Hub von 29 mit Reifendimensionen der dreißiger , einem Tank von 48 und eine Ventilsteuerung von 57 ohne jeglichen Nutzwert mit beschissenen Fahrleistungen, weil diese Zielgruppe auf all das keinen Wert legt.
3. Damit ist das die gleiche Zielgruppe wie die der Royal Enfield oder der Café Racer und Scrambler Umbauer. Für die sind fette Spießer-Eisenschweine ein Tabu, weil die authentischen Superbikes der 60er für heutige Verhältnisse eben Filigran waren: Die bis heute mit modernen Maschinenelementen unverändert dargestellte Sporty, die konkurrierenden Engländer von Triumph über BSA bis Norton und die Vespa PX. Es gibt schon Läden, z.B. in Berlin (suche ich bei Interesse gerne raus), die exakt diese Palette anbieten. Da käme niemals nicht ein Big Twin in den Showroom. Als wirklich gut gemachtes Retro, weil Luft-Ölgekühlt, gibt es noch die Triumph bis 2015, aber die aktuelle Nachfolgerin mit Wasserkühlung geht in dieser Scene natürlich schonmal garnicht. Dass Provinzposer davon noch nie gehört haben, verwundert jetzt nicht wirklich.
Wie konnte das passieren, dass der Markenkern von HD, "Optische und technische Tradition" nun ausgerechnet von der zweitkleinsten Modellreihe für die Kunden am überzeugendsten vertreten wird???
Das ist ja wohl der Supergau einer Marketingstrategie. Die fetten Margen versprechenden oberen Baureihen verfehlen die Zielgruppe für den Markenkern!!!
Der Grund liegt m.E. in der völlig verfehlten Einstellung des Evo zugunsten der völligen Neukonstruktion des TC, der lediglich mit OHV, Luftkühlung, 45 Grad Zylinderwinkel und Gabelpleuel sowie Primärkette grundlegende Layoutähnlichkeiten mit den Big Twins von 36 bis 98 hat. Der Evo war der letzte Nachfahre des Knuckle, während der TC bereits bei rechteckigem Rahmenrückratrohr
, ungeteiltem Tank mit gefakter Teilung
, Steuerketten
, 2 Nockenwellen
innenliegenden Ölpumpen
einem Öltank unter dem Getriebe
oder wahlweise Ausgleichswellen
oder einem Triebwerksblock wie bei Indian alt
einfach nicht mehr glaubwürdig den Markenkern von "Optische und Technische Tradition " repräsentieren kann. Das wirkt einfach zu retrojapanisch.
Warum nur hat sich Harley mit dem TC nur so in dieses Marketingparadoxon verstrickt: Man hat offensichtlich typisch amerikanisch die bei der Poserzielgruppe idealtypisch kurzfristige Umsatzsteigerung unter Mitnahme der Zielgruppe, die ein Nutzwertmotorrad haben will, was kein idealtypisch Japanisches Einsteigerflair hat (viel Motorrad für wenig Geld) und auch kein Funktionalitätsgeschwür von BMW ist, ins Zentrum gestellt und musste damit den teilweisen Widerspruch zum Markenkern zwangsläufig in Kauf nehmen: Alle diese technischen Abweichungen vom Markenkern werden nämlich erzwungen von der Befriedigung der Kernmotivation dießer beiden Zielgruppen: Mehr Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen bei mehr Leistung. Das geht wie bei der japanischen V-Twin-Konkurrenz von Yamaha Midnight Star bis Kawa VN 2000 nur über deutlich mehr Hubraum pro Zylinder , und der erzwingt nunmal diese technischen Änderungen. Die Beibehaltung des technischen Markenkerns wäre technisch nur über die Beschränkung auf die traditionellen 80 Cui gegangen, was eine behutsame Modernisierung des traditionsreichen Evo-Layouts ermöglich hätte, ganz wie bei der Sporty.
Dieser Beitrag wurde schon 5 mal editiert, zum letzten mal von niterider am 27.07.2016 23:50.