Die letzten Deutschen
Ich wurde wach vom Ruf des Muezzin, der über Lautsprecher von der benachbarten Moschee an mein Ohr drang.
Ich hatte mich längst daran gewöhnt. Früher war sie mal eine Kirche gewesen, aber sie war schon vor vielen Jahren zur Moschee umfunktioniert worden, nachdem es der islamischen Gemeinde in unserem Viertel in ihrer alten Moschee zu eng geworden war. Die wenigen damals noch verbliebenen Christen hatten keinen Widerspruch mehr erhoben.
Unser türkischer Bürgermeister Herr Mehmet Özal, meinte damals, es sei längst an der Zeit gewesen, der einzig wahren Religion, dem Islam, mehr Platz zu schaffen.
Die wenigen Deutschen, die noch in unserer Gegend wohnen , schicken ihre Kinder auch fast alle in die Koranschule, damit sie es später leichter hätten sich zu integrieren.
In den Schulen wird inzwischen hauptsächlich in Türkisch unterrichtet, manchmal auch in Russisch oder Arabisch, je nach der Mehrheit. Die Klassen werden entsprechend zusammengestellt. Die wenigen deutschen Kinder müssen sich dann eben anpassen, aber Kinder haben ja wenig Mühe mit dem Erlernen von Fremdsprachen.
Endlich Kopftuch auch für deutsche Frauen
Der Sprecher sagt, daß auf Druck der fundamentalistischen Partei des einzig richtigen Weges im Bundestag ein Kopftuchzwang für alle Frauen eingeführt werden soll.
Meine Frau trägt seit einiger Zeit auch eins, um weniger aufzufallen bei uns im Viertel. Sie wird jetzt nicht mehr so oft als Deutsche erkannt und wird in Geschäften freundlicher behandelt.
Alex, unser Zehnjähriger, spricht zu Hause meist gebrochen deutsch, aber hin und wieder fällt er auch ins Türkische, wir müssen ihn dann immer daran erinnern, daß wir das nicht können und schämen uns ein bißchen dafür. Alex ist das einzige Kind mit deutschen Eltern in seiner Klasse, er versucht sich, so gut er kann anzupassen.
Ich will die Nachrichten im Radio einschalten, finde aber erst nach längerem Suchen den deutschsprachigen Sender. Seit die Frequenzen nach dem jeweiligen Bevölkerungsanteil vergeben wurden, mußten wir uns einschränken.
Außerdem soll auf einstimmigen Beschluß ein Tag der deutschen Schande eingeführt werden, an dem der bösen Taten der Deutschen gedacht werden soll, vor allem unserer Ausländerfeindlichkeit.
Deutsche ohne Türkisch Kenntnis Nur geringe Chancen
Ich sehe aus dem Fenster auf die Straße. Die Barrikaden sind noch nicht weggeräumt und rauchen noch ein bißchen, aber die Müllmänner, fast alles Schwarze, sind schon beim Aufräumen. Gestern hatten sich wieder serbische und kroatische Jugendliche in unserer Straße eine Straßenschlacht geliefert. Oder waren es türkische und kurdische ? Nein, das war letzte Woche, aber unsere Scheiben sind diesmal heilgeblieben.
Meine Frau hat wieder Arbeit gefunden, in einem türkischen Restaurant, als Aushilfe.
Da Ausländer bei der Arbeitsplatzvergabe jetzt vorrangig behandelt werden ( eine Folge des neuen Anti Diskriminierungsgesetzes ) ist das ein großes Glück.
Ich muß vorläufig nicht mehr zum Arbeitsamt. Gestern sagte mir mein Berater, Herr Hassan Muftlu, ich sei als Deutscher ohne Türkischkenntnisse nicht mehr vermittelbar und hat mir einen Sprachkurs in Aussicht gestellt. Ich habe natürlich zugestimmt, so eine Chance bekommt man nicht alle Tage.
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Mein Vermieter, Herr Alo Yüksel, erwähnte gestern beiläufig, daß er unsere Wohnung einem seiner Brüder und seiner Familie versprochen hätte und wir sollten uns schon mal nach etwas anderem umsehen.
Auf meinen schüchternen Einspruch meinte er nur, er hätte gute Beziehungen zu den örtlichen Behörden. Nun müssen wir also raus, aber besonders schwer fällt uns der Abschied von unserem alten Viertel nicht.
Wahrscheinlich werden wir, wie viele unserer alten Bekannten, in die anatolische Steppe auswandern. Die türkische Regierung hat dort allen Deutschen großzügigerweise ein Stück Land angeboten.
Es ist eine Art Reservat für uns, wir wären unter uns und könnten unsere Sprache und Kultur pflegen. Diese Idee beschäftigt uns schon lange .......