Der 100 Pässe-Motorrad Alpenführer schreibt: "Die Königsetappe einer jeden Alpenfahrt ist und bleibt die Überquerung des einzigartigen Stilfser Jochs."
Für die alten Hasen ist das sicher kalter Kaffe und nur ein müdes Lächeln wert. Für mich, der ich erst seit einem Jahr meine Dicke fahre war das gedanklich bis jetzt eine der großen Herausforderungen. Nachdem ich mich letztes Jahr nur vorsichtig in die Berge getastet habe und dabei merkte, dass die Heritage eigentlich ein sehr schönes Motorrad für solche Touren ist, kam schnell die Frage auf: Wie ist das denn, wenn die Kehren mal spitzer werden und die Straßenbreite mal etwas enger wird?
Also erst mal Erdkunde wiederholt, welche Pässe gibt es denn und wo liegen die alle? Mit Literatur eingedeckt. Dann war schnell klar, da gibt es schon ein paar Abstufungen. Und nach allem was ich so gelesen hatte, stand für mich das Stilfser Joch als fest. Das letztes Jahr ging schnell vorbei und ich war damit beschäftigt, die Heritage erst einmal auf normalen Strecken zu geniessen. Im Frühjahr diesen Jahres stand dann die Entscheidung fest: Diese Saison steht das Stilfser Joch an! Als Vorbereitung die Dolomiten, ein paar Tiroler Pässe, dann noch den Jaufenpass und das Timmelsjoch (bei schlechtem Wetter). Ob das als Vorbereitung reicht? Ich war immer noch nicht sicher.
Mit diesem Respekt im Bauch, habe ich den Pass dann gestern versucht - und geschafft. Was zum Teil auf Fotos einfach aussieht ist mit einer schweren Maschine eine Erlebnis und manchmal eine Gratwanderung. Die steilen Kehren, die enge Fahrbahn, der Gegenverkehr lassen einem keine Zeit zum Verschnaufen. Extremes Balancieren in engsten Kurven auf schlechtem Straßenbelag. Das Ganze zieht sich: Ich bin den Weg über die Ostrampe hochgefahren mit Ihren 48 Kehren. Ab und zu schaut man mal nach oben und sieht, da kommen noch einige Windungen. Der Verkehr war schon heftig, Biker, Radler und Autofahrer, sogar ein Wohnmobil habe ich gesehen. Streit zwischen Auto- und Fahrradfahrern, gutmütige Motorradfahrer und die wilden Heizer, die in der Kehre noch innen überholen wollen - alles war dabei. Ich hatte speziell Respekt vor den extrem spitzen Kehren, die dann ganz stark ansteigen. Übel dann noch, wenn eine Mauer verhindert, dass man sieht, wer von oben kommt. Aber wie schon gesagt - alles gut gelaufen. Ich bilde mir ein, die Kehren für einen Anfänger sauber gefahren zu haben. O.k. bei der einen oder anderen habe ich mal den Fuss rausgestreckt. Das ist aber wohl eher psychologisch, ich glaube nicht, dass ich per Fuss die Dicke in der Kurve abgestützt hätte...
Alles in allem: Das ganze war eine tolle Tour über 696km durch Deutschland, Österreich, Italen und die Schweiz. Soviel schöne Gegenden habe ich mein Leben noch nicht auf einmal gesehen. Ein eine gehörige Portion Stolz ist auch dabei: meine persönlcihe Herausforderung, das Stilfser Joch mit der Heritage zu fahren ist abgehakt. Jetzt können die ruhigeren Touren kommen...
Gruß
Uli
Bilder:
- Relatives Gedränge vor manchen Kehren: radler, Autos und Biker im Disput
- Manchmal auch schöne freie Stücke
- Ab und zu Diskussionen: Wer hat Vorfahrt?
- Auf der Passhöhe Rummelplatz
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Vernunft ist durch nichts zu ersetzen, außer durch Hubraum. 
Member of Bavaria Stammtisch Munich
Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Badwater am 26.06.2011 18:28.