Der Grund liegt im Anfang der 90er begraben. Damals wurden ungewöhnlich viele Harleys mit „Original-Starrahmen“ in Hessen zugelassen. Es geht die Mär, dass Harley-Deutschland, die bekanntlich seit den 70ern an wechselnden Standorten im Rhein-Main-Gebiet beheimatet sind, die hessischen Behörden von sich aus darauf hingewiesen haben sollen, dass die Zulassungszahlen einzelner Baujahre in Hessen die Gesamtproduktion dieser Baujahre in Milwaukee übersteigen würde. In der Szene sehr beliebt waren damals die „Schwedenrahmen“ , wie der Name schon sagt, täuschend echt mit allen Gussteilen und sogar Werkzeugkastenhalterung rechts nachgemachte Starrahmen aus Schweden.
Das Ganze basierte darauf, dass Harley zu dieser Produktionszeit der Starrahmen nur Motornummern einschlug, aber keine Rahmennummern. Wie Harley Deutschland es nun trotzdem schaffte, die nachgebauten von den Originalen Rahmen zu separarieren, ist nie so richtig publik geworden. Gegen die Zulassung eines nachgebauten Starrahmens spricht auch heute noch eigentlich nichts, aber die Zulassung als Original-Harleyrahmen mit den Zulassungsvoraussetzungen der 50er Jahre statt der 90er für die Peripherie (Bremsen, Emissionen, Sicherheitseinrichtungen) deutete, wie wohl im Rahmen polizeilicher Ermittlungen ans Licht kam, auf einen Korruptionsskandal beim TÜA Hessen hin (Hessen hat keinen Verein, sondern ein Amt, also eine staatliche Organisation). Man munkelte seinerzeit in der Szene von 1000 DM „Entscheidungshilfe“. Der Nachweis der Korruption ist seit Al Capone sehr einfach möglich, wenn man Einnahmen hat, deren Herkunft nicht nachweisbar ist. Da genügt eine richterliche Anordnung der Kontoeinsichtnahme, von da aus über die Kooperation des Erwischten hin zu den gegen Zusatzhonorar zugelassenen Rahmen wäre ein denkbarer Weg.
In dieser schweren, schweren Zeit wurden tatsächlich etliche Zulassungen von Schwedenrahmen als Original-Harleyrahmen annulliert. Wie man das rechtssicher durchgezogen hat, ist bis heute ein großes Geheimnis von Hessen und Harley geblieben.
Da war es wieder, das grundlegende Dilemma seit dem Anbeginn menschlicher Gemeinschaften: „Wer kontrolliert den Kontrolleur“? In totalitären Staaten wird das Problem kafkaesk gelöst, bis in die Staatsinsolvenz, weil, wenn alle nur noch andere kontrollieren, bleibt niemand mehr zum Arbeiten übrig (Fallbeispiel DDR). Hessen richtete als Konsequenz aus dem ganzen Korruptionsskandal die Bündelungsbehörde als „Kontrolleur des Kontrolleurs“ ein, mit dem Hintergedanken, dass dieser mit dem Antragsteller „auf normalen Wege“ keinen Kontakt hat und deswegen unanfälliger für Korruption ist. Aber, wie das „Fallbeispiel DDR“ uns lehrt, ist schon eine zusätzliche Kontrollebene superkostenintensiv und so wird das den anderen Bundesländern schlicht zu teuer gewesen sein. Da wartet man lieber ab, ob dort ein ähnlich gelagerter Korruptionsskandal auftritt, bevor man hier viele zusätzliche teure Planstellen für Ingenieure, Juristen und Verwaltungsfachangestellte schafft, die dem Bundesland keinerlei zusätzliche Verwaltungseinnahmen bringen, weil sie eben, nunja, nur „die Kontrolleure kontrollieren“. Für die aufwendige Verhinderung von Staatsversagen kann man ja nicht höhere Gebühren für die Erst-Zulassung eines HD-Starrahmens in D verlangen als in anderen Bundesländern
. Außerdem ist der TÜV außerhalb Hessens ja ein selbständiger Verein, auf den man bei Korruption ja immer mit dem Finger zeigen kann, ohne sich die Hände schmutzig gemacht zu haben. Bei einem staatlichen Amt in Hessen fällt hingegen die politische Verantwortung auf Hessen zurück.
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„I don‘t like valves that look like golf tees. Intake valves should be the size of trash can lids, and pistons should be the size of manhole covers“ (Jay Leno)
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