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Ein zweites Beispiel ist die Ölpumpe. Genie ist, sie außen gut zugänglich anzubringen. Im Unterschied zu allen anderen Marken kann sie so ohne Motorausbau und Zerlegung instandgesetzt werden. Ein noch wesentlicherer Vorteil ist die gute Kühlung des Öls dadurch, dass sie aussenliegt. Das Harley das auch so beabsichtigt hat, sieht man daran, dass ab 1968 das Gusseiserne Pumpengehäuse durch ein Alugehäuse ersetzt wurde. Es gibt also Early Shovels mit Gusseisen-Pumpe und solche mit Aluminium - Pumpe! Wir meinen, dass die Integration der Ölpumpe in den Motor des TC einen nicht unerheblichen Teil zu seinen thermischen Problemen beisteuert.
Wahnwitz ist die Lösung zur Förderung des Öls vom Sumpf des Kurbelgehäuses bis zum Ansaugstutzen der Absaugpumpe. An sich ist die Trockensumpfschmierung bei einem großen Gleichläufer (BMW-Boxer, alte englische Twins) oder engwinkligen V-Motor und damit Quasigleichläufer (Harley, Indian) eigentlich die technisch richtige Lösung gegenüber der primitiven Druckumlaufschmierung des BMW-Boxers. Die gleichzeitig oder fast gleichzeitig runterkommenden Kolben erzeugen einen riesigen Überdruck im Kurbelgehäuse, der beim BMW-Boxer schon immer bis heute !!! das Öl durch die Kurbelgehäuseentlüftung und alle Fugen und Wellendichtringe drückt, sodass ein Boxer jeglicher Generation bis heute noch nie unter einen Ölverbrauch von 0,3 ltr/1000 km zu bringen war! Wenn wie bei Harley + Co das Öl durch eine eigene Saugpumpe ständig aus dem Sumpf abgesaugt wird, dann kann der pulsierende Überdruck im Kurbelgehäuse nur noch auf die Luft wirken, die mit ein wenig Öldunst durch die Kurbelgehäuseentlüftung entweicht.
Der Wahnwitz beginnt bei Harley bei der Lösung zum Transport des Öls bis zum Einlass der Saugpumpe: Nicht etwa durch einen Saugstutzen an den tiefsten Punkt des Kurbelgehäuses wie beim Boxer und allen anderen Motoren, nein, der pulsierende Überdruck drückt das Öl hoch durch den Schleuderölkanal und das oben schon erwähnte 'Breather Valve" ins Nockenwellengehäuse, in dem auch der Einlass der Saugpumpe (der kurze seitliche Messingstutzen am unteren Bildrand von Foto 3) liegt. Da die Saugpumpe vor Evo keine breiteren Zahnräder als die Förderpumpe hat, bleibt auch noch jede Menge Öl im Sumpf, da ja genau gleich viel nachgefördert wird, das von dem rotierenden Hubzapfen an die Zylinderwände und zusätzlich zum Hochdrücken durch den Überdruck in den rückwärtigen Schleuderölkanal gefördert werden soll (Foto 4 : "Tauchschmierung"). So erreiche ich, dass das Öl ab mittleren Drehzahlen ganz sicher schaumig gerührt wird und der Ölschaum nicht mehr schmiert, ganz abgesehen von Leistungsverlusten durch das Umrühren ("Panschen") und der durch die damit verbundene erhöhte Reibung zusätzlichen Wärmebelastung des Motors. Außerdem erreiche ich den Ölverbrauch der Druckumlaufschmierung, weil das Öl im Gehäuse ja wieder, gewaltig unter Druck gesetzt, durch alle möglichen Dichtstellen entweicht. Nicht zuletzt benötige ich den aufwendigen Drehschieber (Breather Valve), damit die Kolben beim Hochgehen nicht das Öl vom Einlass der Saugpumpe wieder wegsaugen, sodass das Kurbelgehäuse immer voller wird und die Frischölförderung zusammenbricht. Bei BMW ist das bis heute mit primitiven und genauso wirksamen Membranzungen gelöst. Wie das erste Foto zeigt, hat Harley zur Vorsicht ein Gitter auf den Drehschieber gemacht, damit die von den runtergehenden Kolben in den Drehschieber gespülten Trümmer, bei uns vom Kolbenhemd, nicht zwischen die vielen Zahnräder im Nockenwellengehäuse gelangen. Wie die Fotos 2 und 3 zeigen, ist die Bohrung für den Drehschieber sowohl bei shovel als auch Evo südwestlich neben der Nockenwelle, um von dieser aufwendig per Zahnrad angetrieben zu werden!
Fazit: Die Harleykonstrukteure haben also wirklich alles getan, um die Vorteile der Trockensumpfschmierung wieder zu konterkarieren, nur um eine Trockensumpfschmierung mit einer Tauchschmierung zu kombinieren! Merke: Doppelt gemoppelt ergibt nicht immer Gürtel + Hosenträger
Der ganze Wahnwitz lässt sich wohl nur historisch erklären: Bis 1935 hatten Harleys nur eine der Getrenntschmierung von Zweitaktern ähnliche Frischölschmierung mit Verlustöltank und Frischölpumpe (im ersten Foto links unten, dort mündet das vordere! Röhrchen vom Öltank in der Frischölpumpe am linken Bildrand angeschnitten). Deswegen müssen auch bis heute alle Kurbelwellenlager von Harley wie beim Zweitakter Wälzlager sein, da sie bei eigentlich nur notwendigem 0,1 bar Überdruck der Förderpumpe ( = Frischölpumpe bis 1935) nur eine Ölspülung bekommen. Das Öl wurde durch den durch die runterkommenden Kolben erzeugten Überdruck aus dem Kurbelgehäuse in das Nockenwellengehäuse gedrückt und von dort durch ein Messingröhrchen zwischen den Zylindern durch (erstes Foto Mitte: das hintere! Röhrchen) auf die Primärkette gespritzt (zweites Foto), von wo es sich dann je nach Baujahr ohne oder mit Blechprimärgehäuse einen Weg ins Freie suchte. Da das nach den bekannten Ölverbrauchswerten auf ein Zweitaktgemisch von 1:18 hinauslief und Indian seit 1933 einen Ölkreislauf hatte, war der Ölvérbrauch den Kunden wohl nicht mehr vermittelbar. Beim Knuckle hat man dieses System einfach um eine zweite Saugpumpe vom Nockenwellengehäuse zurück zum Öltank ergänzt. Dummerweise wurde ja nun kein Öl mehr auf die Primärkette gespritzt., da es ja zurück in den Öltank gepumpt wurde. Anstatt nun einfach ein Aluprimärgehäuse wie bei Indian (Foto 5: hier bei einem ganz seltenen Dispatch Tow) als einfache, wirksame Ölwanne auszubilden, machte man einen undichten Blechprimär um die Primärkette und Kupplung und installierte die wahnwitzige Hin und Rückförderung zur Ölpumpe. Das gemahnt schon sehr an eine nicht durchdachte Bastellösung mit Sparen (Blechprimär) an der falschen Stelle, wahrscheinlich nur, weil man unbedingt die von Indian 1933 eingeführte Trockensumpfschmierung nachmachen wollte, ohne genau die Überlegungen zu verstehen, die bei Indian zu dieser Lösung geführt hatten, und ohne den heissgeliebten billigen Blechprimär (Foto 3: hier an einem J-Modell bis 1928, Foto 4: wurde noch bis Panhead !!! beibehalten, deutlich sieht man die zwei Löcher für Öl- hin- und Rückförderung) grundsätzlich abschaffen zu müssen. Da war die Indian-Lösung aus Alu (Foto 5) natürlich deutlich teurer! Die "konstruktiv richtige" Kopie der Indian-Lösung sehen wir erst ab Evo. Verrückterweise hatte bereits der Early-Shovel ein Aluprimärgehäuse, die nun vollends unsinnige Hin-und Rückförderung zu den Ölpumpen wurde aber trotzdem beibehalten! So könnten wohl die Gerüchte entstanden sein, dass Indian das bessere Motorrad sei!
Zur Illustration des dritten Wahnwitzes braucht man nicht viel Worte, sondern ein paar Zeilen von "König von Deutschland" mit illustrierenden Fotos:
"Das Alles,
Und noch viel mehr!
Musst Du abschrauben,
Wenn Kettenwechsel an Deiner Shovel wär"
(Und natürlich wieder dranschrauben, versteht sich. Ohne die Erfindung des Zahnriemens hätte der Big-Twin-Evo wohl auf das Layout des Sportymotors umgestellt werden müssen , weil ab Anfang der 80er kaum ein Kunde noch bereit war, diesen irren Wartungsaufwand zu zahlen, auch mit ein Grund, warum gerade bei Harley besonders viele kleine werksunabhängige Werkstätten existieren)
Ein wirklich toller Bericht, mit sehr sehr viel Detailwissen und Infos über die Funktionsweise der Shovel. Dabei noch kurzweilig rübergebracht ... Weiter so, mein Lieblingsthread für dieses Jahr ... und bestimmt in 2016
Ja, an dieser Stelle von mir als altem ehemalign Shovelfahrer auch ein Dankeschön für den interessanten und fundierten Bericht!
Ein bisschen Lob kann ja jeder gut gebrauchen
Danke für die Blumen. Dachte schon, das interessiert keinen
Im Gegenteil, der Thread ist zum Einrahmen!
Schöner Bericht, Respekt.
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CB750
Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt zur Quelle.
zum zitierten Beitrag Zitat von niterider
Danke für die Blumen. Dachte schon, das interessiert keinen![]()
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Bin schon auf die Fortsetzung gespannt! Mit den Bildern scheint jetzt auch zu funktionieren
(Insider)
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BRC #2
Hallo niterider,
Dein Bericht incl. der dazugehörigen Bilder sind selbst für nen Laien wie mich unglaublich lebendig und lehrreich geschrieben .
Toller Schreibstil !
Wenn du nur halb so gut schraubst, wie du schreibst, würd ich dir jedes unsrer Fahrzeuge anvertrauen
Ich freu mich schon wies weiter geht .
Viel Erfolg!
franz
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Harley fahren ist..........anders
" Wer mit der Herde geht , kann nur den Ärschen folgen.....
toller Bericht , eine schöne Bereicherung des Forums !
Rouven
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Es grüßt
Rouven
E-Mail-Adresse rouven@rarebag.de
WWW.rarebag.de
https://www.facebook.com/rarebag
Zitat von take.it.easy
Zitat von niterider
Danke für die Blumen. Dachte schon, das interessiert keinen![]()
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hallo niterider,
super bericht, mal ne frage zu den zylindern, es passen doch die 1200 er ter von der late shovel genau so drauf, warum nimmst die nicht einfach her.
Bin gespannt was raus kommt mit dem schweißen, sind ja einige teile zum rein flicken,
wenn das alles funktioniert, könnst mal die adresse rüberschmeißen,
super winter projekt, viel spaß noch mfg
So habe alles durch und müßte es glaube ich nochmal lesen. Man muß bestimmt daneben stehen und zuschauen um das alles zu begreifen. Toll geschrieben. Ich sehe du machst deinen Job gerne